Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

Meat (9 page)

BOOK: Meat
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»Mir geht es gut.«

Er lächelte die Pastorin an. Dass Maya diesen Ausdruck zum letzten Mal auf seinem Gesicht gesehen hatte, war so lange her, dass sie ihn erst gar nicht zuzuordnen wusste. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, dass dies das Lächeln war, welches er häufig für seine Kollegen aufsetzte. Das gleiche Lächeln, das ihn als einen tüchtigen Mann erscheinen ließ, der seine Arbeit liebte. In ihren Augen ließ es ihn geisteskrank aussehen. Der Pastorin konnte sein idiotischer Gesichtsausdruck unmöglich entgangen sein. Das war das Ende. Sie würden die Kinder mitnehmen. Dann würden sie kommen, um ihn zu holen. Das wäre das Ende ihres Lebens als angesehene Bürgerin dieser Stadt.

»Es war immer schon Brauch in meiner Familie, dass wir einen Gast seine Mahlzeit beenden lassen, bevor wir die unsere beginnen«, hob Shanti an. »Ich weiß, es ist altmodisch. Noch aus der Zeit, als unser geliebter Vater das Fleisch mit seinen Ehren und seinem Segen versah. Die Shantis sind Bürger der ersten Tage, müssen Sie wissen. Wenn Ihnen das unangenehm ist, leiste ich Ihnen gerne Gesellschaft, bevor Sie Ihr Mahl beendet haben.«

Die Pastorin war eindeutig zu lange still. Maya wusste, was immer Richard da gerade von sich gegeben hatte, es war falsch ― und sein dämlicher Gesichtsausdruck dabei hatte ihr Schicksal besiegelt. Aber sie war unfähig, sich zu bewegen. Sie war nicht einmal in der Lage, ihm unter dem Tisch einen Tritt zu verpassen, damit er endlich aufhörte. Sie blickte der Pastorin prüfend ins Gesicht. Die Frau hatte mit halbvollem Mund aufgehört zu kauen und musste nun kräftig schlucken. Als sie schließlich den halbzerkauten Brocken mit der Zunge hinabbefördert hatte, sagte sie: »Das
war mir nicht bewusst, Mr. Shanti. Ich hoffe, Sie können mir mein ungebührliches Benehmen noch einmal verzeihen. Ich nahm an ... nun, das tut nichts zur Sache. Es wäre mir eine Ehre, mein Mahl zu beenden, bevor Sie das Ihre beginnen. Und danach werde ich der Direktion auf der Stelle mein Gutachten überbringen. Ich kann Ihnen versichern, es wird zu Ihrer vollsten Zufriedenheit ausfallen.«

Richard vollführte einen angedeuteten Diener. Im Prinzip bloß ein tiefes Neigen des Kopfes und Pastorin Simonson aß schweigend ihr Steak auf.

Maya war fassungslos. Die Shantis waren Bürger von
was?
Das Gutachten würde zur vollsten Zufriedenheit ausfallen? Was war da gerade geschehen? Sie konnte es nicht sagen. Die Pastorin schob den leeren Teller beiseite und erhob sich.

»Wundervolles Essen, Mrs. Shanti.« Sie ließ den Blick über den Rest der Familie und durchs Esszimmer schweifen und nickte. Dann nahm sie ein Klemmbrett aus einer ledernen Mappe zu ihren Füßen, machte darauf ein paar flüchtige Notizen mit einem roten Stift und sagte: »So, wir wären so weit. Alles in Ordnung. Ich bedanke mich und wünsche Ihnen allen einen schönen Abend. Möge der Vater Sie segnen und Ihre Mägen füllen.«

Sie war zur Tür hinaus, noch bevor Richard das Steakmesser zu dem Fleisch auf seinem Teller gelegt hatte. Alles, was von ihr blieb, war die Erinnerung an die raschelnden Lagen ihrer roten Robe. Für einige Sekunden herrschte Stille. Dann sagte Maya: »In Gottes Namen, Richard, was hast du zu ihr gesagt? Was, um Himmels willen, ist passiert?«

 

Angesichts der vier Zeugen, die gegen ihn aussagten, undkeinem Einzigen, der sich für ihn aussprach, war Snipes»Anhörung« vor Rory Magnus eine Farce. Die meiste
Zeit verbrachte er damit, den Viehhaarvorleger anzustarren, auf dem er im Büro des Fleischbarons stand. In den seltenen Augenblicken, in denen er kurz aufblickte, sah er einen Ausdruck auf Magnus' Gesicht, den er nicht erwartet hatte. Der Mann war keineswegs aufgebracht über das, was man Snipe vorwarf. Er wirkte beinahe amüsiert, während er einen schwarzen Zigarillostumpen rauchte und am Wodka nippte. Ab und an schien er nicht einmal zuzuhören.

Snipe begann zu hoffen, dass Magnus seine Tat als harmlos genug erachtete, ihn nicht das volle Gewicht seiner Macht spüren zu lassen. Vielleicht hatte er ihn an einem guten Tag erwischt. Vielleicht waren die Gerüchte um Magnus' rigide Strafen nichts weiter als leeres Geschwätz, das die Arbeiter bei der Stange halten sollte. Nach zehn Minuten entließ Magnus die Melkhilfen, und Snipe war alleine mit dem Fleischbaron und dessen Leibwächter.

Als die Schritte der Jungs auf der Treppe verklungen waren, richtete Magnus zum ersten Mal das Wort direkt an Snipe.

»Du wärest überrascht, wenn du wüsstest, wie viele Kuhficker schon hier vor mir standen, Snipe. Manche stehen drauf, die Mastkälber zu vögeln, andere bevorzugen die Stiere. Ist mir gleich, was sie tun, denn wenn ich es erfahre, tun sie es nie wieder.«

Snipe vermochte dem stechenden Blick des Mannes nicht standzuhalten. Seine eigene Scham machte Magnus' beängstigende Jovialität für ihn doppelt unerträglich.

»Sex war immer schon eine riskante Angelegenheit. Bei dem Abschaum, der sich in dieser Stadt so alles als Frau ausgibt, kannst du nie wissen, was du dir einfängst. Kein Wunder, dass einige meiner Arbeiter lieber dem Vieh nachstellen, als ihren eigenen Weibern und Liebchen schöne Au
gen zu machen. Ich kann das zwar nicht nachempfinden, aber mir ist klar, wie es dazu kommt. Unglücklicherweise stimmt mich das keineswegs fröhlicher, da es nicht nur einen potenziellen Schaden
an
meinem, sondern außerdem eine schwer erträgliche Geringschätzung
für
mein Eigentum bedeutet. Jedes einzelne Stück Vieh in dieser Stadt gehört mir und jeder, der meinem Vieh mit etwas anderem als mit Respekt begegnet, wird den Preis dafür bezahlen. Mir ist unbegreiflich, warum meine Arbeiter das immer noch nicht in ihre hohlen Köpfe kriegen. Es steht zwar nirgendwo niedergeschrieben, aber eigentlich sollte jeder wissen, welche Konsequenzen es hat, sich mit mir anzulegen.«

Sein Stuhl knarrte, als er sich zurücklehnte.

»Ich nehme an, du hast das Buch des Gebens gelesen?« Snipe fühlte sich gezwungen, die lautlose Leere zu füllen, die auf Magnus' Frage folgte.

»Jawohl, Mr. Magnus.«

»Demzufolge ist dir auch die Strafe bekannt, die darauf steht, den Auserwählten >beizuwohnen<, korrekt?«

»Jawohl, Mr. Magnus.«

Magnus presste seine Lippen auf eine Art aufeinander, die annehmen ließ, dass der Fall damit für ihn abgeschlossen sei.

»In diesem Fall habe ich dir nichts mehr zu sagen. Bruno, kümmere dich um Snipes Eingliederung in die Herde. Wir sind hiermit durch, sobald du Cleaver gefunden hast. Sorge dafür, dass Snipe unverzüglich verarbeitet wird. Ich erwarte, dass heute Abend nichts mehr als Wurst von ihm übrig ist.«

Er goss sich einen weiteren Wodka ein.

Bruno packte Snipe im Nacken, sein Standardgriff, und schleuderte ihn in Richtung eines Vorhangs an der Rückwand des Arbeitszimmers. Als er ihn aufzog, enthüllte der
Vorhang eine Tür in der hölzernen Wandvertäfelung. Bruno öffnete sie und schubste Snipe in ein dunkles Treppenhaus, das geradewegs in die Tiefe führte.

»Ach, Bruno, und sei so nett und lass sie offen, ja? Ich schaue eventuell für ein paar Minuten rein, wenn Cleaver sich an die Arbeit macht.«

 

Wie vielen anderen Arbeitern in der Fleischindustrie fehlte Shanti ein Finger. In seinem Fall war es der Daumen der rechten Hand. Anders als die meisten, deren Verletzung eine direkte Folge ihrer täglichen Arbeit war, hatte er seinen Daumen bei einem Unfall verloren, an den er keine Erinnerung mehr besaß. Es war geschehen, als er nicht einmal ein Jahr alt war, und er hatte gelernt, ohne ihn zurechtzukommen. Die Behinderung beeinträchtigte seine Arbeit mit dem Bolzenschussgerät nicht im Geringsten.

Soweit es die Geschäftsführung betraf, wurde seine Fähigkeit nicht deshalb geschätzt, weil sie die Arbeit menschlicher machte, sondern weil dank ihr am Ende des Tages mehr Fleisch die Lichtschranken passierte. Shanti hielt sich für einen gütigen, mitfühlenden Menschen, und er brachte den Tod so rasch und schmerzlos, wie es ihm möglich war. Jeder Gedanke an das Leiden einer anderen Kreatur als ihm selbst, war ihm zutiefst zuwider. Was er jeden Tag sah, war für ihn weder eine Parade hirnlosen Viehs noch eine Abfolge ausdrucksloser, tierischer Gesichter. Es waren keine Leben, die er ausknipste. Nein, das wäre zu bedeutsam gewesen, um es als Realität anzuerkennen. Was Richard Shanti in den endlosen Reihen der Auserwählten sah, war eine Abfolge unzähliger Augen.

Die Augen hatten das leuchtende Grün von Wäldern. Die Augen hatten das glänzende Braun antiker Möbel. Die Augen hatten das Grau der Weisheit. Die Augen hatten das
Blau des offenen Himmels und zersplitterter Saphire. Die Augen waren umringt von anklagendem Weiß, starrendem Weiß. Die Augen waren eingefasst in resolutem Weiß. Gefangen in resigniertem Weiß. Umgeben vom Weiß des Todes. Die Augen sprachen zu ihm, weil ihre Besitzer es nicht konnten.

Und obwohl er nicht zuhörte, verstand er unweigerlich, was sie sagten.

 

Die unterschiedlichen Rituale, die sich vollzogen, um die Kälber der Auserwählten für den Rest ihres Lebens als Vieh zu kennzeichnen, fanden in ihrer Jugend statt und zogen sich über Wochen hin. Bei Greville Snipe dauerte dieser Prozess weniger als eine Stunde.

Er musste warten, bis Cleaver sein Lunch beendet hatte. Bruno hatte ein Auge auf ihn, um sicherzugehen, dass er nicht türmte, wenn er den Raum sah in den sie ihn gebracht hatten. Snipe hatte einige der Prozeduren gesehen, die an jungen Kälbern vollzogen wurden, und er hatte nie allzu viele Gedanken daran verschwendet. Jetzt befand er sich in einem fensterlosen Raum, in dem all diese und viele weitere, im Schlachthaus und in der Fleischverpackung üblichen Maßnahmen ausgeführt werden konnten. Das Zittern, das seinen Körper erfasste, unterschied sich entschieden von dem, das er gespürt hatte, während er mit dem Objekt seiner Versündigung vereint gewesen war. Da war ein wankelmütiges Schlottern in seinen Eingeweiden, seiner Blase und seinen Knien. Er fühlte seine Kniescheiben wie zuckende Köder an der Angel tanzen.

Alles war so schnell gegangen, dass sein Gehirn noch nicht genug Raum schaffen konnte, um es zu begreifen. Aber sein Körper wusste, was kommen würde. Und er bereitete sich darauf vor. Er spürte die Kälte in seinen Füßen
und Händen, als sein Blut sich zurückzog. Sein Gesicht fühlte sich kalt und feucht an. Die Muskeln in seinem Magen wandten und drehten sich. Seine Gedanken taumelten panisch durch die Korridore seines Gehirns, und sein Blick flatterte durch jede Ecke des Raumes.

Es war schmutzig hier. Da waren schwarze, krustige Bereiche auf dem Boden, von denen er wusste, dass sie nur eines sein konnten. Ähnliche Flecken überzogen die verschiedenen Gurte, Fesseln und die klobigen, blockartigen Tische. Die Luft in diesem Raum war irgendwie klebrig. Sie stank nach Tier und Chemikalien. Der Geruch biss in den Augen und der Nase.

Snipe beherrschte vor allem ein Gedanke: Er wusste, dies war
nicht
der Raum, in dem er sterben würde.

Sein Magen krampfte immer heftiger ― sein Körper versuchte sich immer noch auf das einzustellen, was ihn erwartete ―, und er erbrach einen Strahl grünlicher Flüssigkeit. Auf der Stelle trat Bruno ihm in die Seite, und er fiel hart auf seine Knie, unfähig den Sturz mit seinen gefesselten Händen abzufangen.

»Sau mich bloß nicht voll!«

Brunos erneuter Tritt rang ihm einen Schrei ab.

»Du beschissenes, nutzloses Stück Fleisch.«

Eine Tür öffnete sich am anderen Ende des Raumes, und ein Schalter wurde umgelegt. Der Ort wurde schlagartig von kaltem, grellem Licht geflutet. Jedes der Geräte schien plötzlich entweder schwarz, weiß oder silbern zu sein. Jetzt konnte er auch mehr erkennen. Snipe sah etliche Instrumente, die wohl nie intensiver gereinigt worden waren, als mit einem hastigen Wisch eines Lumpens. Sie hingen von Regalen und lagen wie die Werkzeuge in einer vernachlässigten Werkstatt unordentlich über eine Bank verteilt. Er hörte Cleaver kommen, bevor er ihn durch das
blendende Licht sah ― stahlbeschlagene Stiefel auf Beton ―, das Geräusch eines Schlachters auf dem Weg an seinen Arbeitsplatz.

Als Cleaver in seinen Blickwinkel trat, wischte er sich, im Bemühen die Reste seines Lunchs zu entfernen, die Vorderseite seines dunklen Barts ab. Snipe konnte deutlich kleine Stückchen grauen Fleisches und die Gelatine einer Pastete erkennen. Cleaver sah geradewegs durch ihn hindurch zu Bruno.

»Hängst du wegen dem hier rum?«

Bruno zuckte mit den Achseln.

»Brauchst du mich noch?«

»Nein. Es sei denn, du willst dir unbedingt diesen hübschen Mantel einsauen.«

»Prima. Das Vieh gehört dir.«

»Noch ist er kein Vieh. Er ist immer noch ein Mensch. Bist du doch, oder?«

Zum ersten Mal sah er Snipe an. Er taxierte ihn, als wäre er schon nicht mehr als ein Hinterviertel.

»Du bist nicht gerade Spitzenqualität, oder?«

Snipe war unfähig, zu sprechen.

»Lass uns dabei lieber allein, Bruno. Etwa in einer Stunde habe ich ihn fertig.«

Bruno schlenderte zur Türe ohne zurückzublicken. Spätestens ab diesem Moment war Snipe Vergangenheit ― und er wusste es.

»Also gut, du. Wir werden es folgendermaßen machen. Zuerst leerst du deine Tanks. Und zwar Nummer eins
und
Nummer zwei. Ich möchte nicht, dass du mich einsaust, wenn wir mittendrin sind.«

Während er sprach, präparierte Cleaver einen langen Stab mit einer Schlaufe am Ende. Noch bevor Snipe begreifen konnte, was vor sich ging, hatte er ihm die Schlinge
über den Kopf gezogen. Cleaver zog sie straff und löste dann Snipes Handfesseln.

»Komm mit, hier lang.«

Er zerrte Snipe in eine Ecke des Raumes, in der sich ein grobes Loch im Beton befand. Hier befahl er ihm, sich hinzuhocken.

»Beeil dich, ich habe heute noch einiges zu tun.«

Selbst wenn er gewollt hätte, Snipe hätte es nicht zurückhalten können. Als er fertig war, fühlte er sich leer. Als wären nicht nur Exkremente, sondern auch seine Organe in dem Loch verschwunden. Er war ein hohler Mann.

Cleaver schleifte ihn von der Latrine weg, ohne ihm die Chance zu geben, sich zu säubern. In diesem Moment fing Snipe, an zu heulen. Sein Solarplexus bebte, bis er nicht mehr wusste, ob er ein- oder ausatmete. Der Rotz lief in blubbernden Bächen aus seiner Nase. Cleaver schien es nicht einmal zu bemerken.

Auf der anderen Seite des Raumes trat er eine Klappe im Boden auf, unter der so etwas wie ein riesiges, in den Boden eingelassenes Wannenbad erschien. Es war angefüllt mit einer dünnen, weißen Flüssigkeit. Sie war es, die diesen chemischen Gestank verströmte. Ohne jegliche Vorwarnung zog er Snipe in die Wanne. Sie war tief, und obwohl Snipe nicht von alleine darin versank, fühlte er, wie der Stab ihn auf den Grund zwang. Innerhalb von Sekunden begann es, überall an seinem Körper zu brennen. Er öffnete den Mund, um zu schreien und die Flüssigkeit flutete herein. Er schluckte. Bevor er noch einmal Luft holen konnte, hob die Schlinge ihn am anderen Ende aus dem Trog, und er lag hustend und strampelnd auf dem kalten Boden. Die Schlinge lockerte sich etwas ― Cleaver gab ihm einen Moment, sich zu erholen.

BOOK: Meat
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