Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

Meat (29 page)

BOOK: Meat
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>AAAARRRRGHH! MITTAGESSEN!<, brüllte der pelzige Mann, während er näher und näher kam.

Und dann, urplötzlich, war der pelzige Mann verschwunden.

Sie hörten ihn sehr, sehr lange fallen, denn auf seinem Weg in die Tiefe hörte er nicht auf zu brüllen. >AAAARRRGHHH ...<

Aber sie hörten niemals, wie der pelzige Mann auf dem Grund aufschlug.

Peter und James waren so glücklich darüber, sich wohlbehalten und in Sicherheit wiederzusehen, dass sie sich hinsetzten und vor Freude weinten. Dann legten sie sich hin, schlossen sich eng in die Arme und fielen in tiefen Schlaf, denn sie waren so, so müde.

Als sie erwachten, hatte sich der Nebel verzogen, und in der Ferne erblickten sie das Haus, in dem der pelzige Mann gelebt hatte. Sie gingen, um es sich anzusehen. Der Stapel aus Knochen all der kleinen Jungen, die der pelzige Mann gegessen hatte, war verschwunden.

Sie betraten das Haus, und es war still und staubig, als hätte hier viele Jahre lang niemand gewohnt. Alle Zimmer waren leer. Sie gingen durch das ganze Haus und fanden schließlich auf der Rückseite eine weitere Tür. Sie öffneten die Türe und erblickten etwas, das keiner von ihnen je zuvor gesehen hatte.

Es war ein Garten. In dem Garten gab es viele Bäume, und die Bäume bogen sich unter der Last vielfältiger Früchte. Überall in dem Garten wuchsen wilde Pflanzen mit Blüten in jeder nur denkbaren Farbe. Sogar in Farben, von denen die Jungen gar nicht wussten, dass es sie gab. Aber noch viel erstaunlicher waren die vielen winzigen
Leute, die summend von Blume zu Blume schwebten und Nektar sammelten.

Doch das Allerbeste, was sie sahen, waren all die kleinen Jungen, die der pelzige Mann gegessen hatte. Nicht nur das, es gab auch kleine Mädchen, alle wieder so unversehrt und lebendig, wie zu der Zeit, bevor der pelzige Mann sie gefangen hatte. Jetzt würde der pelzige Mann nie wieder einen von ihnen jagen oder essen. Und Peter und James würden nie wieder einsam, hungrig oder traurig sein. Nicht jetzt und auch niemals wieder.«

Normalweiser lullten seine Geschichten die Mädchen in den Schlaf, lange bevor er sie beendet hatte. Aber heute Abend blickten sie immer wieder mal zu ihm herüber. Voller Spannung hatten sie mitgefiebert, und waren weit davon entfernt, einzuschlafen. Ihnen eine solche Geschichte zu erzählen, war riskant. Wenn Maya zugehört hätte, wäre diesem Treiben schon lange ein Ende gesetzt worden: Die Geschichte war aus einer Vielzahl von Gründen am Rande der Blasphemie. Doch je mehr er sich davon ausdachte, desto mehr Sinn ergab alles und desto schlüssiger entfaltete sich die Erzählung vor seinem geistigen Auge. Er fand beim Erzählen in eine Art Rhythmus, und dieser Rhythmus trug ihn bis an das Ende der Geschichte.

Mit vor Aufregung geröteten Gesichtern saßen die Mädchen in ihrem Bett, blickten ihn aus großen Augen an, und jede presste ihre Lieblingspuppe an die Brust. Er konnte ihre Fragen hören, noch bevor sie sie stellten. Und er wusste nicht, wie er darauf antworten würde.

»Warum hatten die Jungen keine Mama und keinen Papa?«, fragte Hema.

»Ich glaube, ihre Mama und ihr Papa sind gestorben und haben sie ganz allein auf der Welt zurückgelassen.« »Passiert so etwas wirklich?«, fragte Harsha.

»Ja. Manchmal passiert das, leider. Wenn ein Kind allein ohne Eltern zurückbleibt oder wenn die Eltern zu arm sind, ihr Kind zu behalten und es deshalb weggeben, nennt man es ein Waisenkind.«

»Gibt es in Abyrne Waisenkinder?«, fragte Hema.

Diese Frage hatte es in sich. Er beschloss, es mit einer Gegenfrage zu versuchen.

»Habt ihr welche gesehen?«, fragte er.

Sie schüttelten die Köpfe.

»Auch nicht in eurer Schule?«

»Nein«, sagten beide.

»Ich glaube, da habt ihr eure Antwort.«

Die Mädchen sahen einander an und schienen sich auf die nächste Frage zu einigen, ohne ein Wort zu wechseln. Hema stellte sie.

»Was ist mit dem pelzigen Mann und den kleinen fliegenden Leuten, Papa? Gibt es sie wirklich?«

»Was glaubt ihr?«

Hema dachte nach.

»Nur weil wir sie noch nie gesehen haben, muss das nicht bedeuten, dass sie nicht da sind, oder? Vielleicht verstecken sie sich.«

Er lächelte.

»Vielleicht tun sie das.«

»Aber der pelzige Mann wird doch nicht zu uns nach Hause kommen, das kann er doch nicht, oder, Papa?«, fragte Harsha.

Es war nicht sein Ziel, sie zu erschrecken. Darum ging es nicht. Aber immerhin lenkte der pelzige Mann ihre Aufmerksamkeit von den gefährlicheren Aspekten der Geschichte ab.

»Ich glaube nicht, dass der pelzige Mann jemals hierher-kommen wird. Es ist viel zu weit weg für ihn, um den Weg
zu laufen. Darüber müsst ihr euch keine Sorgen machen. Jetzt haben wir aber genug gequatscht für einen Abend. Wenn ihr brav seid, erzähle ich euch morgen Abend vielleicht eine andere Geschichte. Aber nur, wenn ihr jetzt ohne zu murren schlafen geht. Sonst gibt's überhaupt keine Geschichten. Na, komm schon, ab in deine Koje, Harsha.«

Während er erzählte, hatten sie beide in der unteren Koje gelegen. Jetzt war es Zeit für Harsha, sich zum Schlafen in ihre eigene zu begeben. Widerstrebend schlüpfte sie über ihre Schwester hinweg und kletterte die Leiter hinauf. Shanti gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Hema gab er ebenfalls einen.

»Ich lasse die Tür einen Spaltbreit offen, damit ihr ein wenig Licht habt. Aber ich möchte keinen Mucks mehr hören. Wenn doch, gibt's keine Geschichten mehr, habt ihr verstanden?«

»Alles klar, Papa«, sangen sie.

»Na, prima. Dann schlaft gut, ihr zwei.«

Er ließ sie allein, schaute aber nach einer Stunde noch einmal vorbei, um nach ihnen zu sehen, bevor er selbst zu Bett ging. Harsha lag wieder in der unteren Koje, und sie waren so eng umeinandergeschlungen wie zwei Klammeräffchen. Er wollte sie nicht wecken, um sie zu trennen. Einen Moment lang sah er ihnen beim Schlafen zu, dann stahl er sich davon.

 

Von dem menschenleeren Hochhausblock konnte Collins seinen engsten Vertrauten, Staithe und Vigors, Zeichen geben. Er entzündete eine Gaslaterne und nahm sie mit raus auf den kleinen, zugigen Balkon, wo der wechselnde Wind die Stadt mit den fauligen Gerüchen aus Magnus' Fleischfabrik verpestete. Er stellte die Lampe für sechzig Sekunden auf die Balustrade und wusste, dass zumindest einer von
beiden das Licht sehen würde. Dann nahm er sie wieder mit rein und setzte sich auf die schlichte, kissenlose Couch.

Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, bis er das leise Klopfen des Codes an der Tür hörte. Er zog den stählernen Riegel zurück ― der einzige noch funktionstüchtige Absperrmechanismus ― und öffnete die Türe. Die beiden folgten ihm ins Appartement und setzten sich vor seinem Sofa auf den Boden. Die Lampe strahlte ein mattes, gelbliches Licht ab. Er hasste es, irgendetwas zu nutzen, was Gas verbrauchte, aber im Gegensatz zu ihm konnten Staith und Vigors nicht im Dunkeln sehen.

»Wir dachten, du würdest nicht mehr zurückkehren«, sagte Staith. Er war ein Bär von einem Mann, hatte aber ein Herz aus Papier. Collins konnte die Erleichterung in seiner Stimme hören.

»Ich hätte es auch nicht gedacht. Aber es gibt noch etwas zu erledigen. Ich musste wiederkommen.«

»Was ist passiert?«, fragte Vigors.

»Magnus hat mir in die Hände gespielt. Das wird er nicht so einfach hinnehmen. Ihr müsst alle informieren, dass sie sich verstecken oder sich zumindest auf Besuch der MFPSchläger vorbereiten. Jeder, der irgendwie mit mir in Verbindung gebracht werden kann, ist in Gefahr. Sorgt dafür, dass alle wissen, dass sie auf keinen Fall mehr zur Garage kommen dürfen. Nie mehr. Das ist ein für alle Mal vorbei.«

»Was werden wir nun tun?«

»Zuerst werden wir untertauchen.« Collins lehnte sich zurück und blickte von Vigors zu Staith. »Und dann werden wir Magnus das Leben schwer machen.«

»Und die Fürsorge? Sie werden ebenfalls nicht lange auf sich warten lassen.«

»Ich weiß. Auch sie haben ihre Rolle zu spielen.«

Eine Zeit lang herrschte Stille. Staith starrte in das Licht
der Gaslampe und lauschte ihrem Zischen, während er das gerade Gehörte verarbeitete. Vigors' Gesicht ließ sich weniger leicht lesen. Es war im hellen Tageslicht schon schwer genug, festzustellen, ob sie Mann oder Frau war. Im Dämmerlicht der Wohnung schien ihr Gesicht blank wie ein unbeschriebenes Blatt. Sie war die Erste, die wieder sprach.

»Von nun an gibt es kein Zurück mehr.«

»Nein«, sagte Collins. »Eine Menge Leute werden zu Schaden kommen. Versichert euch, dass jeder, der sich uns anschließt, es aus freien Stücken tut. Sie müssen die Wahl haben.«

 

16

 

Es war nicht einfach, einen Weg zu finden, um ihnen seinen Plan zu erklären. Würden sie ihm immer noch trauen? An ihn glauben?

Als alles anfing, hatte er nicht so weit voraussehen können. Ihm war nicht klar gewesen, was nötig sein würde, bis er auf Magnus getroffen war und erfahren hatte, was für ein Mensch der Fleischbaron war. Unter Magnus' Folter zum Märtyrer zu werden, würde nicht genügen. Es würde nichts ändern. Er hätte damit weiter nichts erreicht als Stille. Und diese Stille musste von Collins' Stimme erfüllt werden. Der Stimme der Wahrheit, der Stimme der Vernunft.

Er hatte seine Anhänger bis hierher gebracht und ihm blieb keine andere Wahl, als sie voll und ganz darüber aufzuklären, wie er sich den Fortgang der Dinge vorstellte. Es würde nicht einfach werden. Sie warteten. Er dachte nach. Sie waren sein Schweigen gewohnt.

Collins fuhr sich mit den Händen über die weiche Kuppel seines Kopfes. Eigentlich sollte sie kratzig sein, aber seit er sich zum letzten Mal rasiert hatte, war kein Haar mehr nachgewachsen. Das Gleiche galt für sein Gesicht. Er müsste mindestens einen Dreitagebart haben, aber seine Wangen waren so weich wie die Innenseite seines Handgelenks. Er war versucht, es dem Schock seiner Auseinandersetzung mit Magnus zuzuschreiben. Möglicherweise hatte sie auf seinen Körper einen tieferen Eindruck gemacht, als auf seinen Geist. Aber so war es nicht. Er war jetzt ruhiger
und entschlossener, als er es während seiner Entführung gewesen war. Dabei hatte er sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Aussicht arrangiert, in den Tod zu gehen.

Ihr Schlupfwinkel inmitten des Staubs und der Ruinen des verfallenen Viertels war armselig und trotzdem sauber. Über Nacht hatten sie ihn vom Schutt befreit, ihn geputzt und, so gut sie konnten, gereinigt. Jedes Mitglied seiner Gefolgschaft hatte Teile der Ausstattung hereingeschmuggelt. Sie hatten ihr Versteck so tief wie möglich angelegt, auch auf die Gefahr hin, dass die maroden Säulen und Bögen nachgaben und sie unter sich begruben. In den Tunneln hatte es bereits hier und dort Einstürze gegeben, aber Colas hatte ihnen versichert, dass sie aus einer Zeit stammten, bevor Abyrne zu dem wurde, was es jetzt war.

Außerhalb ihres eingeweihten Kreises galt es als Blasphemie, die Idee einer Zeit vor der Stadt zu erörtern. Nach dem Buch des Gebens war Abyrne auf Gottes Geheiß aus der Ödnis hervorgegangen. Davor hat es nichts als schwarzes, verstrahltes Land gegeben, auf dem keinerlei Leben existieren konnte.

Nun saßen sie zusammen und warteten darauf, dass er sprach.

Dies waren seine Leute, die wiedergeborenen Seelen dieser Stadt, geschmiedet im Ofen jener Übungen, die er sie gelehrt hatte. Gelegentlich nahmen sie vegetarische Nahrung zu sich, waren sie weiter fortgeschritten, aßen sie gar nichts. Trotzdem waren sie stärker als in der Zeit, in der sie noch das Fleisch der Auserwählten verzehrt hatten. Es waren dreißig an der Zahl. Unter Tausenden in der Stadt: dreißig reine Seelen.

Er hob die Augen und ließ seinen Blick über ihre Gesichter schweifen.

»Wenn ich euch ansehe, erkenne ich, was möglich ist.

Nach so kurzer Zeit, weniger als zwei Jahren, gibt es so viele von uns, die nicht nur bereit sind, ihre Art zu leben völlig zu ändern, weil sie wissen, dass es das Richtige ist, sondern auch bereit sind, jene zu verlassen, die ihnen lieb und teuer sind und für die Zukunft alles zu riskieren.«

Er betrachtete die Wände, die sie einschlossen. Ohne die Gaslampen würde sie eine Dunkelheit umgeben, die absoluter war als jede Nacht in den Straßen der Stadt. Drei Stockwerke unter dem verlassenen Viertel existierte kein Licht.

»Es ist Ironie des Schicksals, dass wir, die wir von Luft und Licht leben, gezwungen sind, dort zu hausen, wohin niemals ein Sonnenstrahl dringen wird und die Luft lebloser nicht sein könnte. Wie dies wird alles, war wir von nun an tun werden, ein Opfer sein. Das ist es, worüber ich mit euch sprechen muss.

Noch vor einer Woche war ich der festen Überzeugung, dass meine öffentliche Hinrichtung durch Magnus und seine Schlächter jenes Ereignis sein würde, das der Stadt zu erkennen geben würde, wie falsch die Wege sind, die sie all die Jahre zuvor beschritten haben. Ich habe daran geglaubt, dass ihr hier und all die anderen, die in der Garage meine Worte gehört haben, die Botschaft verbreiten würden und bald darauf eine Revolution Abyrnes Gier nach Fleisch ein stilles Ende setzen würde. Danach wäre es mit dem Fleischbaron für alle Ewigkeit vorbei, und die Fürsorge würde kollabieren.

Doch nun habe ich Magnus gesehen. Mit ihm gesprochen. Sozusagen das Schwert mit ihm gekreuzt. Und ich muss euch sagen, dass ich naiv und einfältig war, anzunehmen, unsere Arbeit wäre bereits erledigt. Das ist sie nicht. Wir haben gerade erst begonnen, die Dinge zu verändern.«

Collins starrte in seine ausgestreckten Handflächen,
ballte sie zu Fäusten und öffnete sie wieder. Er hielt sie seiner Anhängerschaft entgegen.

»Ich wünschte, ich könnte euch sagen, wie die Zukunft aussehen wird. Aber das kann ich nicht. Ich habe bereits einmal falsch gelegen. Ich bin mir jetzt klar darüber, dass ich weiter nichts tun kann, als sorgfältig zu planen und darauf zu hoffen, dass ihr ― jeder einzelne von euch ― immer noch bereit seid, mir zur Seite zu stehen. Bevor ich weiterrede, möchte ich nochmal betonen, dass ihr völlig frei seid in eurer Entscheidung. Das werdet ihr immer sein. Ich werde nichts von euch verlangen, das ihr nicht tun wollt. Ihr könnt jederzeit gehen, niemand wird es euch nachtragen. Jeder von euch hat bereits mehr erreicht, als ich anfangs für möglich gehalten habe. Ihr habt euch gereinigt. Um was ich euch bitte, widerspricht allem, wofür ich stehe, aber ich bitte euch darum, weil ich weiß, dass es keinen anderen Weg gibt.

BOOK: Meat
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