Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

Meat (25 page)

BOOK: Meat
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Der Sieger hob triumphierend die Arme. Parfitt konnte sehen, dass er es nicht tat, weil er den Ruhm seiner Leistung verspürte, sondern weil er wusste, dass man es von ihm erwartete. Er drehte sich langsam auf der Stelle, um die hysterische Verehrung der Zuschauer entgegenzunehmen. Blut rann aus seinen Schnittwunden, lief aus Mund und Nase. Seine Beine zitterten. Vier Treiber mit Hotshots und Schlingen kamen hinter der Bande hervor, aber der Bulle machte keinerlei Anstalten, ihnen auszuweichen. Er wurde aus der Arena geführt. Eine weitere Gruppe Männer packte den Leichnam des Besiegten an den Knöcheln. Als sie ihn wegzerrten, hinterließ sein Körper eine breite Spur aus frischem Blut und Hirnmasse.

Parfitt fuhr vor Schreck von der Bank, als Torrances fleischige Hand ihm auf die Schulter klopfte.

»Da hast du's, Junge.
Das
ist wahre Unterhaltung.« Jemand reichte ihm die Wodkaflasche, und Parfitt trank
einen tiefen Schluck. Er war inzwischen betrunken genug, um das Brennen zu ignorieren, als das flüssige Feuer seine Speiseröhre hinabschwappte. Er reichte die Flasche weiter. Er spürte, wie die Frau neben ihm aufgeregt hin und her rutschte, sah das schielende Grinsen der Wollust auf ihrem Gesicht. Sie schmiegte sich an ihn, setzte sich auf seine Beine und presste ihm ihr Becken in den Schoß. Der Lärm des Stadions rückte in den Hintergrund, und Parfitt betrat erneut die kleine, sichere Welt seiner Gedanken. Es gab weitere Kämpfe in dieser Nacht, mehr Klapse auf den Hintern, leidenschaftlichere Annäherungsversuche der Frau, die er irgendwann erwiderte: lächelnd, nickend, küssend und, im richtigen Moment, fummelnd. Aber er war sehr, sehr weit weg.

Irgendwann an diesem Abend, es musste bereits sehr spät sein, nahm die Frau seine Hand und zog ihn weg von den Logen. Sie führte ihn zu einer Toilette, in der die Leitungen nicht mehr funktionierten, schubste ihn in eine leere Kabine und schloss die Tür hinter ihnen. Vor ihm kniend, sprach sie Worte, die er nicht wirklich hörte, und nahm seinen Penis in den Mund. Der Wodka ― oder war es das Blut? ―hatte jeden Teil in ihm betäubt. Er brachte nicht einmal mehr ein Lächeln zustande, angesichts ihrer erfolglosen Bemühungen. Irgendwann stand sie mit vor Ärger verkniffenem Gesicht auf. Ihre Knie waren nass ― voller Pisse nahm er an. Dämliche Schlampe.

Das Erbrochene kam in einem einzigen langen Schwall und vermischte sich mit den anderen Flüssigkeiten auf dem Boden. Er wischte sich den Mund ab, und sie war weg.

Die Welt kehrte in seine betäubten Ohren zurück, und er machte sich auf, um Torrance zu finden.

 

13

 

Magnus starrte in sein Glas und sah, wie sich die Oberfläche seines Wodkas kräuselte.

Er kramte in seiner Erinnerung nach dem Zeitpunkt, an dem er zum ersten Mal bemerkte, dass er seine Hand nicht mehr richtig stillhalten konnte. Aber er bekam ihn nicht zu fassen. Es musste vor Kurzem gewesen sein, so viel war sicher. Es verärgerte ihn, und er setzte das Glas auf dem Schreibtisch ab. In der anderen Hand vibrierte ein locker gerollter Zigarillo. Die Asche fiel auf den protzigen Schreibtisch. Frustriert drückte er den Stumpen aus und zündete sich sofort einen neuen an. Manchmal linderte der Wodka das Zittern, er nahm einen mundgerechten Zug und schluckte den brennenden Alkohol in einem Zug herunter. Seine Kehle war geschwollen, und etwas anderes als Flüssigkeiten bereitete ihm immer noch Schmerzen. Er hatte seit einer Woche nichts als Suppe gegessen. Mit ausgestreckten Händen beobachtete er seine Finger. Das Zittern war immer noch da.

Alles hatte mit diesem dürren, heimtückischen Bastard Collins begonnen.

Entgegen seiner Drohungen, seiner Ankündigungen und der Versprechungen von Schmerzen, die Magnus ihm zufügen würde, hatte ihn der kleine Scheißer ausgetrickst und in seinem eigenen Haus geschlagen.

Ich scheine langsam weich in der Birne zu werden.

Der Gedanke kam ihm nicht zum ersten Mal. Schon in
den Wochen vor der Gefangennahme des Propheten John Collins hatte Magnus unter Konzentrationsproblemen gelitten. Speziell beim Durchgehen der Zahlen für Angebot und Nachfrage. Er vermochte sie problemlos zu lesen, aber es bereitete ihm zunehmend Schwierigkeiten, sie zu interpretieren. Die Zahlen belegten eindeutig, dass etwas nicht stimmte. Und zwar bereits seit mehreren Monaten: Der Fleischüberschuss stieg. Es musste etwas mit Collins zu tun haben. Aber als wesentlich erschreckender empfand Magnus, in dessen Taschen so oder so das meiste Geld der Stadt landete, dass er scheinbar unfähig war, eine Strategie zu entwickeln, um die Nachfrage zu steigern.

Er konnte sich nicht länger als ein paar Minuten am Stück konzentrieren. Und die Spanne nahm ab. Genau wie sein Erinnerungsvermögen. Über die Jahre war Magnus vielen Rivalen und so ziemlich jedem Typ Mann ― von verschlagen bis brutal ― begegnet, sei es in geschäftlichen Angelegenheiten oder im Kampf Mann gegen Mann. Keiner hatte ihm so sehr Angst gemacht wie das, was gerade mit ihm geschah. Es lag ihm fern, Collins zu verdächtigen, ihn mit einer Krankheit verflucht zu haben. An derartigen Unsinn glaubte er genauso wenig, wie an das Buch des Gebens und seine Lehren. Aber er wusste: Was immer ihn da heimsuchte, wurde, seit er aus seiner Ohnmacht nach dem Schlag auf seine Kehle erwacht war, zunehmend schlimmer. Vielleicht hatte Collins ihn auch bloß aufgrund der Krankheit überwältigt.

Niemand, insbesondere die Fürsorge, sprach darüber, aber
Das Zittern
war ein Gebrechen, das in jedem Distrikt von Abyrne nachgewiesen war. Es gab viele Gegenmittel, die meisten basierten auf Nebenprodukten seiner Fabrik. Inwiefern sie tatsächlich halfen, konnte er nicht sagen. Kalbfleisch war besonders gefragt bei der Linderung des Ge
brechens. Wie auch immer, niemand schien jemals wieder davon zu genesen. Mal verschlimmerte sich die Krankheit graduell über Jahre, mal rasch innerhalb von Monaten. In jedem Fall verwandelte sie ihre Opfer in zuckende, menschenförmige Gallertklumpen. Sie verloren ihre Selbstständigkeit, waren unfähig, ohne Hilfe zu essen, zu scheißen oder sich anzukleiden. Sie verwahrlosten. Irgendwann wussten sie nicht mehr, ob sie ihren Stuhl noch hielten oder nicht. Dann legten sie sich hin, um zu sterben. Einige zogen es vor, sich die Kehle durchzuschneiden oder zu erhängen, lange bevor sie das Endstadium erreichten.

Magnus würde es ähnlich halten.

Außer ... außer, es war gar nicht
Das Zittern.
Es war doch zumindest möglich, dass er bloß Fieber hatte. Fieber griff ebenfalls in regelmäßigen Intervallen in der Stadt um sich. Wenn es das war, würde er es besiegen und schon bald wieder der Alte sein.

Er nahm noch einen Schluck Wodka. Die Grimasse, die er daraufhin zog, war weniger dem Brennen des Schnapses als dem Schmerz in seiner Kehle geschuldet. Collins würde dafür mit der erlesensten Folter zahlen, die sich Cleaver für ihn ausdenken konnte. Er würde sicherstellen, dass die Prozedur sich über Tage hinziehen würde ― so lange, dass Collins, wenn diverse seiner Körperteile bereits verrotteten und von den Ratten gefressen wurden, noch lebendig genug war, um es mit anzusehen.

Er überprüfte erneut seine Hände. Das Zittern hatte nachgelassen.

Gut. Sehr gut. Ich habe die Grippe, und ich werde sie überstehen. Es geht mir bereits besser. Ich werde Collins noch vor Ende der Woche in seine vor Schmerzen aufgerissenen Augen blicken.

Er lehnte sich zurück in seinen Sessel.

»Bruno!«

Die Türe öffnete sich, und sein schmalzhaariger Gehilfe trat ein.

»Mr. Magnus?«

»Lass den Koch drei Kalbsschnitzel für mich machen. Ich will sie fast roh. Sie sollen bluten. Noch seufzend und zischend. Verstanden?«

»Vollkommen, Mr. Magnus.«

»Warte. Ich brauche auch ein wenig Spaß. Drei von den Hausmädchen. Direkt nach dem Essen. Sag ihnen, ich brauche mein Bad. Alles klar?«

»Selbstverständlich.«

»Gut. Und jetzt verpiss dich.«

Wieder alleine fühlte sich Magnus bereits besser.

Drei Steaks. Drei Mägde. Danach ein schönes langes

Schläfchen. Und morgen bin ich wieder ganz der Alte.
Seine Stirn legte sich in Falten.

Scheiße noch mal. Hab das Wichtigste vergessen.
»Bruno, komm zurück.«

Er hörte Fußtritte im Treppenhaus, als Bruno kehrtmachte, noch bevor er den Küchenbereich oder die Quartiere der Hausmädchen erreicht hatte. Er lächelte, als er hörte, wie Bruno vor der Türe anhielt. Gut zu wissen, dass der Mann sich noch einmal sammelte, bevor er eintrat.

Als Bruno den Raum wieder betrat, wirkte er weder atemlos noch gehetzt.

»Jawohl, Mr. Magnus.«

»Erzähl mir, was da draußen vor sich geht. Habt ihr ihn inzwischen gefunden?«

»Wir haben Zweierteams, die an den Grenzen des verfallenen Viertels patrouillieren und jeden, der den Distrikt betritt oder verlässt, genau im Auge behalten. Jede Auffälligkeit wird sofort gemeldet. Hin und wieder greifen wir uns
einen der Passanten, um ihn daran zu erinnern, warum das verfallene Viertel so gefährlich ist. Schließlich wollen wir die richtige Botschaft vermitteln.

Wir haben auch Leute innerhalb des verlassenen Viertels. Sie halten die Augen offen. Es gab verschiedene Sichtungen, und sie scheinen sich auf ein bestimmtes Areal auf der anderen Seite der Hochhausblocks zu konzentrieren. Es gibt Gerüchte, dass er in den Untergrund gegangen ist und sich andere ihm angeschlossen haben. Wir wissen nicht, wie viele es sind, und wir kennen ihren exakten Aufenthaltsort noch nicht. Aber wir ziehen den Kreis um ihn täglich enger. Es ist bloß eine Frage der Zeit, bis wir eine schlagkräftige Truppe hineinschicken, um ihn hochzunehmen. Ihn und seine sogenannten Anhänger. Dann kannst du mit ihnen machen, was du willst. Und mit
ihm.«

Magnus starrte aus dem Fenster.

»Das geht mir verdammt nochmal nicht schnell genug, Bruno. Streng dich mehr an. Sonst dürfte sich das in deinem Lebenslauf nicht allzu gut machen.«

Magnus steckte sich einen neuen Stumpen mit dem an, den er gerade rauchte, und drückte den ersten aus. Seine Augen blickten ins Leere. Er registrierte nicht, dass Bruno aufmerksam seine Hand beim Rauchen studierte.

»Sonst noch etwas, Mr. Magnus?«

»Nein. Aber beeil dich mit dem Kalbfleisch. Ich bin scheißhungrig.«

 

Je besser er die Auserwählten und ihre Sprache verstand, desto länger wurde jeder Tag in der Fabrik.

Torrance ― für gewöhnlich sein größter Fürsprecher und Beschützer, wenn die anderen Schlachtarbeiter sich über seine Weigerung, die MFP-Busse zu nutzen und seine Angewohnheit einen Rucksack zu tragen, der mindestens so
viel wie eine betäubte Kuh wiegen musste, lustig machten ―hatte sich verändert. Statt ihn bei der Arbeit voller Stolz und Genugtuung zu beobachten, betrachtete er ihn jetzt aus kritisch dreinblickenden, geradezu herrischen Augen. Es schien, als würde er nur darauf warten, ja, zu hoffen, dass Shanti einen Fehler machte. Da war noch etwas anderes in Torrances Verhalten, das Shanti beunruhigte: eine Art spöttischer Geringschätzung.

Torrance und Shanti standen auf der Plattform, von der sie die zahlreichen Stationen der Produktionsstraße überblicken konnten. An das Geländer gelehnt, inspizierte Torrance beiläufig die Aktivitäten an der Straße. Wenn er sprach, blickte er geradeaus, ohne Shanti ins Gesicht zu sehen. Gerade mal laut genug, dass die beiden Männer es hören konnten, verschwanden die Worte über das unaufhörliche Schlachten hinweg in der Leere des Raumes.

»Deine Quote geht bergab, Rick. Geht's dir nicht gut?«

»Doch, Sir. Alles bestens.«

»Ganz und gar nicht. Nichts ist
bestens.
Ich habe hier die Produktionsraten der letzten zwei Monate eingetragen.« Er hob ein Klemmbrett vom Geländer, drehte sich aber nicht zu ihm um. »Möchtest du sie sehen?«

»Nein.«

»Hab ich mir gedacht. Denn du bist dir durchaus im Klaren darüber, wie sie aussehen, oder?«

»Ja.«

Torrance war still. Sein Blick schweifte die Produktionsstraße entlang, schien sie aber nicht wahrzunehmen.

Die Gesprächspause war erfüllt von den Geräuschen der Fabrik: das Seufzen und Zischen der sich durch die Sammelpferche fräsenden Auserwählten. Der hohle Klang des von ringenden Knien und Ellbogen ausgebeulten Metalls. Das pneumatische Stanzen des Bolzenschussgeräts, ras
selnde Ketten, das Blubbern und Schäumen der Brühkessel, das saftige Schmatzen durch warmes Fleisch gezogener Messer. In den Transportschienen laufende Kugellager, die klangen, als würde man Vorhänge zuziehen. Das Knacken beim Abtrennen von Gliedmaßen. Das dumpfe Klatschen auf Gummiförderbänder fallender Körperteile. Arbeiter, die ihre Messer an unermüdlich rotierenden Schleifsteinen schärften. Der Klang von Männern, die mit Stahl Leben in Fleisch verwandelten.

»Warum nimmst du dir nicht eine Auszeit.«

Shanti konnte sich nichts Schöneres vorstellen, aber er durfte Torrance nicht die Chance geben, zu viel herauszufinden. Zu tun, als wäre er geschockt, als würde der Vorschlag ihn kränken, fiel ihm nicht leicht.

»Aber das will ich nicht, Sir. Das ist nicht nötig.«

»Oh, doch, es ist nötig. Und ob du das anders siehst, tut nichts zur Sache, Rick.« Jetzt drehte sich Torrance zu ihm um, aber Shanti war völlig gleich, was er sagen würde. »Ich kann nicht zulassen, dass die Produktionsrate sinkt, wenn die Nachfrage nach dem Fleisch der Auserwählten dermaßen hoch ist, wie es gerade der Fall ist. Darüber hinaus gibt es Standards, die wir einhalten müssen. Es darf unter keinen Umständen jemand den Eindruck bekommen, dass wir schlechte Arbeit leisten. Aber mehr noch müssen wir verhindern, dass jemand spitzkriegt, dass du, der Eispickel, derart versagst. Du bist hier eine Legende, Rick. Ungeachtet deiner Angewohnheiten bist du Vorbild und Ansporn für die anderen Arbeiter ― wir alle hier tun, was in unseren Kräften steht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als dich vom Bolzenschussgerät abzuziehen, solange deine Quote noch verhältnismäßig hoch ist. So wird man sich an das Gute erinnern, was du hier geleistet hast. Ich würde nicht wollen, dass es anders kommt.«

»Was wollen Sie damit sagen, Sir? Werden Sie mich ... feuern?«

»Nein, Rick. Das würde ich dir nicht antun. Du bist einer der besten Schlächter, die ich jemals gesehen habe. Du bist ein großer Gewinn für MFP, und ich will, dass es so bleibt. Mein Vorschlag wäre, dass wir dich peu à peu von dem Job am Bolzenschussgerät abziehen und dich mit einer weniger aufreibenden Tätigkeit betrauen. Gott weiß, ich habe über die Jahre viele Schlächter durchdrehen sehen. Ich will nicht erleben, wie dir das passiert.«

BOOK: Meat
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