Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

Meat (28 page)

BOOK: Meat
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Parfitt nickte. Er hatte verstanden. Er begriff bloß nicht, wofür das gut sein sollte.

»Was hat die Fürsorge dazu zu sagen? Immerhin sagt Gottes Wort, dass die Auserwählten für uns alle da sind. Und ganz sicher nicht nur für jene, die sich ihr Fleisch leisten können.«

»Abyrnes Geschäftswelt und seine Religion sind, wie du sicherlich noch bemerken wirst, ein paar seltsame Bettgenossen. Sie tolerieren einander, weil sie ohne den jeweils anderen nicht überleben würden.«

Haynes kehrte mit dem Wodka zurück. Sie kippten ihn in einem Schluck herunter. Er war es nicht wert, langsamer getrunken zu werden.

»Ich denke, jetzt brauchen wir alle was zwischen die Rippen. Soll ich dich nach Hause fahren, Parfitt?«

»Nein danke, Sir. Ich kann von hier aus laufen.«

»Schön. Trotzdem solltest du noch mit zum Wagen kommen, um dir deinen Lohn abzuholen. Danach dürftest du allerdings für jeden Straßenräuber eine willkommene Beute sein.«

 

15

 

»Es war einmal vor langer, langer Zeit«, sagte Richard Shanti, »da lebten zwei Brüder namens Peter und James.

Peter und James waren die ärmsten Kinder in der ganzen Stadt, und sie lebten an einem Ort, wo alle Häuser so kaputt waren, dass sie nicht einmal mehr Dächer, Türen und Fenster hatten, um die Kälte oder den Regen abzuhalten. Sie waren sehr dünn, weil es so wenig zu essen gab. Manchmal aßen sie das Unkraut, das durch die Risse in den Bürgersteigen wucherte. Manchmal aßen sie die Blätter und Nüsse der wenigen Bäume, die in ihrem Viertel wuchsen. Manchmal, wenn sie mutig genug waren, schlichen sie sich in die besseren Viertel, und mit ein wenig Glück fanden sie dort etwas Brot, das Leute weggeworfen hatten, die bereits satt waren. Manchmal stahlen sie Äpfel von den Bäumen der Reichen.

Peter und James hatten keine Mutter, keinen Vater und keine Freunde. Solange sie sich zurückerinnern konnten, lebten sie bereits alleine und hatten in der Welt immer nur einander gehabt. Nachts, ganz besonders im Winter, kuschelten sich Peter und James eng aneinander, damit sie es wärmer hatten und sich nicht so einsam fühlten.

Eines Tages sagte Peter zu James: >Ich bin es leid, einsam und hungrig zu sein und keine Freunde zu haben.<

>Ich auch<, sagte Peter. >Warum suchen wir uns nicht einen besseren Ort, um dort zu leben?<

Also beschlossen die beiden, die verfallene Gegend, in der sie ihr ganzes Leben verbracht hatten, genau zu erkunden.

In die schöneren Viertel der Stadt konnten sie nicht gehen, denn die Leute dort ― ganz gleich, wie reich und fett sie waren ― hätten versucht, sie zu fangen und zu essen. Also durchsuchten sie die baufälligen Häuser und die leeren Straßen nach etwas, das besser war als das, was sie kannten.

Sie suchten eine Woche und fanden weiter nichts, als noch mehr verlassene und verfallene Plätze.

Sie suchten zwei Wochen und fanden nicht mehr zu essen, als sie bereits hatten.

Sie suchten drei Wochen und fanden niemanden, mit dem sie reden konnten.

Dann setzten sie sich am Rande einer zerstörten Straße nieder, hielten sich in den Armen und weinten bitterlich, weil sie so traurig, so hungrig und so furchtbar alleine waren, dass sie glaubten, sie könnten nicht mehr weitermachen.

Just in diesem Augenblick erschien ein seltsames, winziges Wesen vor ihren Augen. Es summte, flog in kleinen Spiralen und sah aus wie ein winziger Mensch mit blitzenden Flügeln. Die Jungen waren so erstaunt, dass sie aufhörten zu weinen. Und dann begann das winzige schwebende Menschlein zu ihnen zu sprechen. Es hatte eine sehr laute Stimme, für solch ein zierliches Ding. >Warum weint ihr, ihr dummen Jungen?<, sagte es. >Ihr habt ja kaum mit eurer Suche begonnen. Sucht noch eine weitere Woche, nur noch ein wenig, und ich verspreche euch: Ihr werdet etwas finden, das euch beide sehr glücklich machen wird.< Das winzige Kerlchen schwirrte auf und ab, als wäre es sehr aufgeregt. >Aber<, sagte es, und sah mit einem Mal sehr ernsthaft aus, >haltet Ausschau nach dem pelzigen Mann. Wenn er euch fängt, wird er euch bei lebendigem Leib braten und eure Ohren fressen, dann eure Augen und Nasen und schließlich eure Bäuchlein.<

Peter und James zitterten vor Angst, als sie dies vernah
men. Sie waren so schwach, dass sie sich nicht vorstellen konnten, ihre Suche auch nur noch einen Tag fortzusetzen. Und wenn sie auf den pelzigen Mann träfen, dann ― so glaubten sie ― wären sie zu schwach, vor ihm wegzurennen.

Verlegen, weil er noch nie zuvor mit einem winzigen fliegenden Menschen gesprochen hatte und er sich nicht sicher war, was er sagen sollte, sprach Peter: >Entschuldige, aber wir sind nur klein und sehr, sehr dünn. Wir haben nur Unkraut und Blätter und Nüsse und altes Brot gegessen, weißt du. Manchmal einen Apfel oder zwei. Sieh her<, und er deutete auf Peters und seine Arme. >Wir sind kaum kräftiger als dürre, alte Zweige.<

Das winzige Kerlchen kratzte sich an seinem zierlichen Kopf. >Was fehlt euch alles, um glücklich zu sein?<

>Oh, sehr viel<, sagte James.

>Braucht ihr etwas zu essen?<, fragte es.

>Wir hungern<, sagte Peter.

>Seid ihr einsam?<, fragte es.

>Wir sind die einsamsten Jungen der Welt.<

>Nun denn<, sagte das winzige fliegende Kerlchen. >Denkt immer daran, wonach ihr sucht, und es wird euch stärker machen als dürre, alte Zweige.<

>Tatsächlich?<, fragte Peter.

>Wirklich?<, fragte James.

>Oh, ja<, sagte das winzige fliegende Kerlchen. >Viel, viel stärker.<

Und dann flog das winzige fliegende Kerlchen dreimal ganz schnell im Kreis herum und verschwand.

Peter und James sahen einander mit großen Augen an. >Haben wir gerade wirklich ein winziges fliegendes Menschlein gesehen?<, fragte Peter.

>Ich glaube schon<, sagte James. Und er fügte hinzu: >Hat es wirklich mit uns gesprochen?<

>Ja<, sagte Peter, >ich glaube, das hat es tatsächlich.<

Die beiden Jungen lachten, denn wegen des winzigen fliegenden Kerlchens ging es ihnen schon viel besser. Es war zweifellos ein seltsames kleines Wesen gewesen, aber es hatte sich als sehr freundlich und hilfsbereit erwiesen. Niemand war jemals zuvor freundlich und hilfsbereit zu ihnen gewesen.

Sie hielten nach ein paar Kräutern Ausschau, um sich für den nächsten Teil ihrer Reise zu stärken und fanden ein großes Büschel nahebei. Es schien ihnen eine glückliche Fügung zu sein. Sie aßen die Kräuter, welche bitter schmeckten. Aber sie waren dankbar dafür. Und schon bald waren sie wieder auf der Suche.

Sie wanderten durch Teile des Ruinenviertels, in denen sie niemals zuvor gewesen waren und über die sie nichts wussten. Nach sechs weiteren Tagen waren sie wieder erschöpft, aber die Gegend um sie herum hatte begonnen, sich zu verändern. Es gab weniger Gebäude, und die, welche sie fanden, waren nicht so zerfallen wie jene, die sie hinter sich gelassen hatten. Einige hatten immer noch Dächer und einige sogar Fenster und Türen. Peter und James durchsuchten die Häuser, aber sie fanden nichts, das sie glücklich machte. Nichts, um ihre Bäuche zu füllen und niemanden, mit dem sie reden konnten.

Sie begannen zu glauben, sie hätten das winzige fliegende Menschlein und seine Ratschläge nur geträumt. Schlimmer noch: Sie begannen zu glauben, sie wären selbst schuld daran, dass sie so hungrig waren, weil sie sich die Kreatur eingebildet hatten.

Dann kam ein Nebel auf, weiß und wirbelnd, gleich den Ärmeln einer Armee von Geistern. Plötzlich standen sie vor etwas, das aussah, als wäre es das allerletzte Haus in dem zerfallenen Viertel. Dahinter gab es nichts mehr. Vor
der Eingangstüre erblickten sie einen großen Haufen Knochen. Die Knochen waren glatt und völlig sauber abgenagt. Einige der Knochen sahen aus, als wären sie von kleinen Jungen genau wie Peter und James.

Sie dachten beide, dass das winzige fliegende Wesen vielleicht der Freund des pelzigen Mannes war. Vielleicht hatte es ihnen nur gesagt, dass sie hierherkommen sollen, damit es sich zwei weitere verirrte kleine Jungen mit dem pelzigen Mann teilen konnte.

Sie wollten sich gerade von dem Haus wegschleichen, als sich die Türe öffnete und eine riesige Gestalt in den Nebel trampelte. Es war ein Riese, viel größer als ein normaler Mann und auch noch doppelt so breit. Langes, dichtes, zottiges rotes Haar bedeckte seine Hände, seine Füße, sein Gesicht und hing von seinem Kopf bis herab auf die Hüften. Er trug bloß eine zerschlissene Hose, die ihm bis zu den Knien ging, und eine Weste ohne Knöpfe. Er sah aus, als würde er seit hundert Jahren dieselben Sachen tragen und wäre längst hinausgewachsen.

Kleine Jungen, dachten Peter und James, sind vermutlich sehr nahrhaft.

Der pelzige Mann erblickte sie und brüllte: >AAAARRRGGGH! ZEIT FÜR'S MITTAGESSEN!<

Er rannte mit weit ausgestreckten Armen seinen Gartenweg hinunter und versuchte, mit jeder Hand einen der Jungen zu greifen.

>Lauf!<, rief Peter, und die Jungen drehten sich auf der Stelle um und liefen, so schnell sie konnten davon. Der Nebel war so dicht, dass sie kaum sehen konnten, wohin sie liefen. Sie hielten sich bei der Hand, weil sie sich nicht verlieren wollten, aber das machte sie langsamer. Inzwischen rannte der pelzige Mann auf Beinen wie Baumstämmen hinter ihnen her und machte Schritte, die viermal so groß wa
ren wie die ihren. Schnell hatte er sie eingeholt. Er streckte seine zwei gewaltigen Arme aus, um sich die dürren Jungen zu greifen.

>Jetzt hab ich euch, meine kleinen Häppchen. Jetzt hab ich mein MITTAGESSEN!<

>Lass meine Hand los<, sagte James zu Peter. >Das ist unsere einzige Chance.<

>Nein<, weinte Peter, >was ist, wenn ich dich nicht mehr wiederfinde?<

>Denk an all das, wonach wir suchen, und du wirst mich finden.<

Die Hände des pelzigen Mannes schnappten nach ihnen. James ließ Peters Hand los und rannte in den Nebel. Die Hand verfehlte ihn. Peter rannte in die entgegengesetzte Richtung. Die andere Hand verfehlte auch ihn.

Der pelzige Mann konnte sich nicht entscheiden, wen von beiden er verfolgen sollte, und so konnten sie ihm beide entwischen.

>ARRRGGGHHH!<, brüllte der pelzige Mann. >KEIN MITTAGESSEN! AAAAARRRRGGGGH!<

Der pelzige Mann stand lange da und schnüffelte in den Nebel. Dann beschloss er, dass eine der Fährten saftiger roch als die andere, drehte sich um und folgte mit seiner dicken Nase durch den Nebel dem Weg, den Peter eingeschlagen hatte.

Nun waren die beiden Jungen voneinander getrennt und konnten hören, wie die Füße des pelzigen Mannes durch das Geröll stampften, während er sie suchte. Jeder Schritt ließ die Erde erbeben.

James schlich auf Zehenspitzen so leise wie möglich, aber er konnte nur zwei Meter weit sehen. Er hatte keine Ahnung, in welche Richtung er ging. Peter tat genau das Gleiche. Beide Jungen fühlten sich jetzt einsamer und vor
allem ängstlicher, als je zuvor. Sie waren so voller Furcht, dass sie dachten, der pelzige Mann wäre in der Lage, durch den Nebel ihren Herzschlag zu hören und dass er dem Geräusch folgen würde, bis er sie gefangen hätte.

James stolperte über einen zerbrochenen Ziegelstein und stürzte. Seine Hände ruderten durch den Nebel, während er fiel. Er schlug mit der Brust auf und bekam einen Moment lang keine Luft mehr. Sein Kopf und seine Arme hingen in der Luft. Als er die Augen öffnete, blickte er in einen schwarzen Schlund, so tief, als würde er keinen Grund haben. Nur einen Schritt weiter und er wäre in den Abgrund gestolpert und hätte Peter niemals mehr wiedergesehen.

Aber der pelzige Mann hörte James' Sturz und wechselte die Richtung, um ihm zu folgen. Auch Peter hatte ihn gehört. Er wollte nach ihm rufen, um zu sehen, ob es seinem Bruder gutging und um sicherzugehen, dass der pelzige Mann James nicht erwischt hatte. Aber Peter traute sich nicht. Stattdessen rannte er in die Richtung, aus der er das Geräusch glaubte gehört zu haben.

Dann vernahm er das Stampfen schwerer Schritte hinter sich. Irgendwie war er zwischen den pelzigen Mann und seinen Bruder gelangt. Jetzt war der pelzige Mann ihm auf den Fersen, während sie beide auf James zurannten. Peter riskierte einen kurzen Blick über die Schulter und sah langes rotes Haar im Nebel. Der pelzige Mann war direkt hinter ihm und hatte seine riesigen Arme nach ihm ausgestreckt.

Da es jetzt keinen Grund mehr gab, leise zu sein, rief Peter lauthals nach seinem Bruder: >James! Wo bist du?<

>Hier entlang!<, antwortete James. >Schnell, Peter, ich kann den pelzigen Mann kommen hören!<

>Er ist direkt hinter mir!<, rief Peter. >Ich glaube, ich kann ihm nicht entwischen.<

>Doch, Peter. Doch, das kannst du. Denk an all das, wo
nach wir suchen. Ich denke auch daran. Wenn du nah genug bist, werde ich dir sagen, was du machen sollst, und du musst es so gut machen, wie du kannst. Alles klar?<

>Das mache ich, James. Ich mache es, so gut ich kann.<

Peter konnte den pelzigen Mann hinter sich schnaufen hören. Er konnte in seinem Atem die toten kleinen Jungen in seinem Magen riechen. Er dachte an all das, wonach er und sein Bruder suchten und rannte, so schnell er nur konnte. Aber Peter hatte schon lange nichts mehr gegessen, und seine Füße waren müde und schwer. Er begann zu glauben, dass der pelzige Mann ihn fressen würde. Genau in dem Moment brach von irgendwo ganz weit oben ein dünner Lichtstrahl durch den Nebel. Als Peter durch das Licht lief, fühlte er seine Kraft zurückkehren. Er strengte sich noch mehr an und spürte, wie die Hand des pelzigen Mannes hinter ihm durch die Luft sauste. Er hatte ihn knapp verfehlt.

Dann hörte er James' Stimme sehr laut und sehr nah.

>Spring, Peter. Spring so schnell und so weit du nur kannst.<

Also sprang Peter mit all der Kraft, die ihm noch geblieben war, und hob ab in die Luft.

Er blickte hinunter und sah, dass er sich über einem schwarzen Abgrund befand, der kein Ende zu nehmen schien. James hatte ihn aufgefordert, in den Tod zu springen. Aber selbst jetzt gab er noch nicht auf. Er dachte daran, wie es war mit seinem Bruder an einem Ort zu sein, an dem sie beide sicher und glücklich waren. Er dachte daran, so fest er konnte.

Das Nächste, woran er sich erinnerte, war, dass James ihn in seinen Armen auffing. Er stand auf der anderen Seite des schwarzen Loches.

Sie blickten zurück und sahen den pelzigen Mann durch den Nebel poltern. Er sah sie ebenfalls. Zwei herrliche, le
ckere kleine Jungen, bereit, lebendig am Spieß gegrillt zu werden.

BOOK: Meat
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