Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

Meat (33 page)

BOOK: Meat
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Er lernte ihre Sprache.

Wir sind weich, wo sie hart sind,
sagten sie.
Wir sind eher bereit als sie, bereit, uns selbst zu geben. Durch Wände und Dunkel sind wir Brüder. Wertvoller, als alle anderen.
Und wenn einer allein das Wort ergriff:
Brüder, ich spüre die Furcht, die wir alle eines Tages spüren werden. Denn meine
Zeit ist gekommen. Gebt mir Kraft, Brüder, denn ich gehe, um zu geben.
Und alle antworteten:
Bruder, du gehst, um zu geben, und wahrhaftig, wir gehen mit dir. Denn schon bald werden wir alle gehen. Wir sind mit dir, Bruder. Vertrau auf jene, denen wir dienen, sie werden dir rasche Erlösung schenken. Ein Ende, wie wir alle es haben kommen hören.
An dieser Stelle ahmten ein scharfes Zischen und ein abrupter Schlag das Geräusch des Bolzenschussgerätes nach. Es folgte ein nervöser, hektischer Rhythmus: Das Trommeln der Fingerstummel imitierte das Nervenzucken der lobotomisierten Kälber. Ein sanftes Schaben, das leise Rasseln der Ketten beim Aufziehen des Körpers, ein
Shhhhaaa
den Schwung des Messers. Verstümmelte Glieder klopften erst den sprudelnden Schwall, dann das versiegende Rinnsal des aus der Halswunde des Kalbs austretenden Blutes.

Und so ging es immer weiter. Beständig versicherten sie sich gegenseitig, in ihrer Seelennot einander beizustehen und fügten sich im selben Atemzug bedingungslos in ihr Schicksal. Sie benutzten ihre Sprache, um einander zu berühren, denn ihre Hände und Arme waren nicht dazu in der Lage.

Hier sind wir. Wir sind mit dir.

Immerzu sagten sie das.

Keines von ihnen vermochte ihm zu entkommen. Während er in der Welt der Mastkälber lebte, der hoffnungslosesten Geschöpfe unter den Auserwählten, lebten die Fleischhauer um ihn herum in der Welt der Fabrik, ihrer täglichen Arbeit, ihrer Spitzenlöhne und ihrer Familien.

Widerwärtig.

Noch der Letzte dieser fleischfressenden Städter war barbarischer, ignoranter Abschaum. Sie waren es, die geschlachtet gehörten. Mit 200 in der Stunde, wenn so eine Quote möglich wäre.

Und: Ja, Bob Torrance sollte der erste von ihnen sein.

Als die Stadtglocke drei Uhr früh schlug, kamen sie: still wie die Schatten, doch voll von Licht.

Er hatte sie alle mitgenommen, denn je mehr sie waren, desto größer waren ihre Kräfte. Er kannte die beste Stelle, um auf das Gelände der Anlage vorzudringen: Weit genug entfernt von den Haupttoren, wo die Lastwagen die stinkenden Innereien zur Verarbeitung anlieferten. Sie schlüpften durch die schlecht gewarteten Zäune, und er führte sie von einer Station zur nächsten, halbwegs sicher, welche Posten nachts bemannt sein würden und welche nicht. Sie schlichen an Lagertanks und Schornsteinen vorbei, unter sich windenden Röhren hindurch und um die Ecken von Maschinenhallen herum. Wann immer sie auf Arbeiter trafen, brachten sie sie mit einem präzisen Schlag zum Schweigen, ohne sie dabei zu töten. Die Schaltzentrale erforderte mehr Geschick, da sie nur nacheinander eindringen konnten. Doch seine Anhänger waren stark und der Kampf nur kurz. Nachdem sie das Personal ruhiggestellt hatten, schnitt John Collins die Stromzufuhr ab.

Wieder auf dem Hof nahmen sie jedes Werkzeug an sich, das sie finden konnten: Sechskantschlüssel, Äxte, Teppichmesser, Schraubenzieher, Hämmer. Damit richteten sie soviel Chaos und Zerstörung wie möglich an. Metall auf Metall machte mehr Lärm als Fleisch auf Fleisch. Ihnen blieb wenig Zeit. Er leerte die Lagertanks und kappte jede Stromleitung. Sie brachten die bewusstlosen Angestellten am Haupttor in Sicherheit, legten in der Schaltzentrale Feuer und verschwanden.

Kurz vor Tagesanbruch, als der erste Gastank explodierte, waren sie längst tief im verlassenen Viertel.

 

Als sie wieder zu Bewusstsein kam, wusste sie erst einmal nicht, wo sie war. Warum lag sie auf einer Pritsche, in ei
nem nackten Raum mit schmutzigen weißen Wänden? Was war das Letzte, woran sie sich erinnerte?
Wer
war sie ―selbst das stellte ein Problem dar.

Langsam kam die Erinnerung zurück.

Die langen Regalreihen und endlosen Stapel mit Pappkartons, der muffige, staubige Geruch modernden Papiers, das Gefühl, etwas Wichtiges finden zu müssen. Der Film, die an ihr vorbeiziehenden Bilder, wurde von einem urplötzlich aufsteigenden Gefühl ängstlicher Beklemmung unterbrochen. Warum erkannte sie diesen Raum nicht? Wie war sie hierhergekommen? Ihr Denken hatte jegliche Flexibilität verloren, Pfade der Erinnerung führten im Kreis oder endeten in Sackgassen. Immer, wenn sie begann, sich zu erinnern, fand sie sich kurz darauf wieder da, wo sie angefangen hatte.

Hier. In diesem dreckigen weißen Raum.

Doch jeder Abstecher in ihre Erinnerung brachte sie ein wenig näher heran. Sie war Pastorin. Pastorin Mary Simonson. Sie recherchierte etwas.

Jemanden.

»Verdammt.«

Es wollte ihr nicht einfallen.

Überrascht stellte sie fest, dass der bloße Versuch, sich zu konzentrieren, ihr den Schweiß auf die Oberlippe und in die Achselhöhlen trieb. Ihr Gesicht fühlte sich heiß an.

Sie wollte sich aufsetzen, aber ihr Kopf war so schwer, dass ihr Hals ihn kaum zu tragen vermochte. Es gelang ihr, sich ein Stückchen aufzurichten, und sie versuchte, mit den Ellbogen nachzuhelfen. Schon der bloße Versuch ließ ihren Trizeps unter der Anspannung erzittern. Dann wurde ihr schwindelig. Ihre Ellbogen glitten unter ihr weg und sie fiel zurück auf die Pritsche. Dem Schwindelgefühl folgte Übelkeit. Das Bett begann, sich zu drehen. Mit schlotternden
Händen griff sie nach der dünnen, feuchten Matratze. Alles drehte sich, das Zimmer stand Kopf, der Boden wurde zur Decke. Noch stürzte sie nicht herab, aber jeden Moment würde sie fallen. Verzweifelt krallte sie sich fest und begann zu schreien.

»Ist da jemand ...«

In ihrem Bauch, tief in ihrem Magen, begann etwas zu wachsen: kalt und stachelig, wie der Kopf eines Morgensterns. Die Schmerzen nahmen überhand. Sie schrie erneut ―vor Angst und Pein.

Die Türe ― sie hatte nicht einmal bemerkt, dass es eine gab ― öffnete sich. Ein Mann kam über das, was nun die Decke war, auf sie zu gelaufen, ohne zu fallen. Er setzte sich neben sie, auf den von der Decke hängenden Stuhl. Sie starrte ihn an, das blanke Weiß um ihre Pupillen war durchzogen von blutigen Fäden.

»Gut, dass Sie wieder bei uns sind.«

Sie konnte nicht sprechen.

»Wie fühlen Sie sich?«

Sie fragte sich, ob er blind war. Konnte er nicht sehen, dass ihre Finger sich zu Klauen verformt hatten? Konnte er den eiskalten Schweiß auf ihrem Gesicht nicht sehen? Die Geräusche in ihrer Kehle wollten keine Worte ergeben.

»Keine Angst«, sagte der Mann. Er kam ihr irgendwie bekannt vor. »Ich habe etwas, das Ihnen helfen wird. Etwas ganz Besonderes. Wir bringen Sie wieder in Ordnung. Oh, ja, ganz bestimmt, wir kriegen Sie wieder hin.«

Sie kannte ihn: Er war der Doktor. Auf ihren Lippen formte sich ein Wort.

»Wo ...«

Eine weiche, kraftlose Hand tätschelte sie.

»Nun, meine Liebe, jemand muss große Stücke auf Sie
halten. Sie befinden sich in der privaten Krankenstation des Großbischofs. Ich bin mir sicher, er wird schon sehr bald persönlich nach Ihnen sehen.«

Langsam glitt das Bett in die Vertikale und schließlich zurück in die Horizontale. Die geöffnete, gepanzerte Faust in ihrem Magen schloss sich und ließ ihr wieder etwas Raum zum Atmen. Der Schwindel ließ nach und mit ihm die Übelkeit. Sie atmete ein paar Mal tief durch und schließlich konnte sie auch ihre Augen wieder bewegen.

»Was ist passiert?«

»Sie sind zusammengebrochen. Im Archiv. Haben einen kleinen Staubsturm aufgewirbelt.«

»Wie lang war ich ...«

»Ein paar Tage. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mitteilen, dass Sie nicht viel verpasst haben.«

Es dauerte einen Augenblick, bis der Groschen gefallen war.

»Wie meinen Sie das?«

»Nun, ich denke, ich werde es dem Großbischof überlassen, Sie über alles in Kenntnis zu setzen. Ich weiß, er wird jeden Moment hier sein.« Der Doktor griff neben das Bett und brachte ein kleines Glas und eine angeschlagene weiße Schüssel hervor. »Zuerst aber sollten wir uns jetzt um Ihre Behandlung kümmern. Hier, trinken Sie das.«

Er hielt ihr das Glas entgegen, aber sie unternahm keinen Versuch, sich aufzusetzen.

»Ich helfe Ihnen.«

Er legte eine Hand unter ihren Kopf und hob ihn an. Mit der anderen setzte er das Glas an ihre Lippen.

»... ist das?«

»Keine Angst, trinken Sie einfach.«

Sie schluckte und würgte.

»Drinbehalten! Bloß nichts vergeuden!«, kommandierte
er. »Das Zeug ist überaus kostbar. Hier, nehmen Sie noch etwas.«

»Nein.«

»Tun Sie, was ich Ihnen sage. Trinken Sie.«

Schluck für Schluck ließ er sie das komplette Glas leer trinken. Die Flüssigkeit hatte eine üble braungelbe Färbung mit einem dreckig grünen Stich. Sie war dickflüssig.

»Geruchlos«, sagte sie. »Geschmacklos.«

Der Doktor runzelte die Stirn, nahm das Glas und roch daran. Sie sah, wie sein Kopf sich wegdrehte, als hätte er eine Ohrfeige erhalten und glaubte zu bemerken, wie er versuchte, etwas herunterzuschlucken. Als er sich wieder zu ihr herumdrehte, war er kreidebleich.

»Sie riechen das nicht?«

»Nein«, sagte sie.

»Ich befürchte, das ist ein Symptom Ihrer Krankheit. Aber kein Grund zur Sorge.« Er setzte das Glas ab und nahm die angeschlagene Schüssel. Mit einem silbernen Löffel schob er ihr eine breiige Masse in den Mund. Sie kaute unnötigerweise und schluckte es.

»Gut?«

Es gelang ihr, mit den Schultern zu zucken. Er fuhr fort, sie mit der Arznei zu füttern, bis das Schüsselchen leer war.

»Gut gemacht. Das wird Sie stärken. Nicht mehr allzu lang und wir haben Sie wieder auf den Beinen. Da bin ich mir ziemlich sicher.«

Zufrieden mit seiner Arbeit lehnte sich der Doktor lächelnd zurück.

»Haben Sie vor, mir zu verraten, was diese Medikamente enthalten?«

Er setzte sich auf.

»Selbstverständlich. Dies sind Medikamente nach meiner eigenen Rezeptur, basierend auf den Lehren des Buches des
Gebens. Für Ihr Magenleiden ― wenn ich nicht völlig falsch liege, unter Mitleidenschaft der Leber ― habe ich ihnen einen Aufguss aus bester, frischer Kalbsgalle und reinem Kalbsurin verschrieben. Für
Das Zittern ―
es tut mir sehr leid, ihnen mitteilen zu müssen, dass
Das Zittern
meine offizielle Diagnose ist ― habe ich Ihnen püriertes Hirn verabreicht. Ebenfalls vom Kalb, selbstverständlich, denn das ist mit Abstand das Gesündeste.« Er beugte sich nach vorn und senkte die Stimme. »Da der Großbischof höchstpersönlich die Verantwortung für Ihre Pflege übernommen hat, ist es wohl kaum erwähnenswert, dass wir Sie nur mit den allerbesten Arzneien versorgen.« Er tätschelte ihren Arm mit seiner laschen Hand. »Nun ruhen Sie sich erst einmal aus, Pastorin. Wir bringen Sie wieder in Ordnung. Ganz bestimmt werden wir das.«

 

18

 

Barney Bernard saß auf einem harten Stuhl. Unfähig, eine halbwegs bequeme Position zu finden, rutschte er alle paar Sekunden hin und her. Zur Seite jeder seiner Schultern hatte sich ein großer, kräftiger Mann postiert. Er befand sich in dem einen Raum, den er niemals von innen hatte sehen wollen. Einem Raum bei dem die meisten Menschen froh waren, dass sie ihn nur vom Hörensagen kannten.

Ihm gegenüber saß Rory Magnus. Er wollte Antworten.

»Erzähl mir nicht, du wüsstest nicht, was passiert ist. Du hattest die Leitung der Nachtschicht. Könntest du mir also erklären, was geschehen ist?«

»Mr. Magnus, ich ... ich kann nichts erklären, was ich nicht gesehen habe.«

»Dann erzähl mir, was du gesehen hast.«

Erneut versuchte Bernard, in dem wenigen, an das er sich erinnerte, einen Sinn zu erkennen. Er schloss die Augen, als er sprach.

»Es war nach drei. Ich erinnere mich, dass die Glocke schlug. Alles war wie immer. Carter und Lee waren auf ihren Posten. Dann ...«, Bernards Gesicht zerknautschte unter der Anstrengung, sich zu erinnern. »Dann hörte ich etwas hinter mir und wirbelte auf dem Stuhl herum zu ...«

»Haben die anderen es gehört? Haben sie sich umgedreht?«

»Ich erinnere mich nicht. Ich kann nicht ...«

»Also gut, fahr fort. Du hast etwas gehört und dich umgedreht.«

»Ja, jemand öffnete die Tür, und ich weiß noch, dass ich dachte: >Wer, verdammt noch mal, kann das denn jetzt sein?< Dann waren sie bei uns im Kontrollraum. Als wäre es völlig selbstverständlich. Sie waren weder ängstlich, noch wirkten sie gehetzt. Sie blieben völlig ruhig. Entschlossen. Ich ...« Bernard war sich nicht sicher, ob er den nächsten Teil erzählen sollte. Aufgrund ihres selbstsicheren Auftretens hatte er kurzzeitig überlegt, ob ihre Anwesenheit nicht möglicherweise von oben abgesegnet war. Etwa aufgrund einer von Magnus angeordneten, überraschenden Inspektion. Ohne sein Zögern hätte dieser Moment ihnen vielleicht genügt, um sich selbst und die Anlage zu verteidigen, oder zumindest den Kampf aufzunehmen. Es war besser, das nicht zu erwähnen. »... ja, ich stand auf und trat ihnen entgegen. Ich weiß nicht mehr, was genau ich sagte, oder ob ich überhaupt dazu kam, etwas zu sagen. Das war's. An mehr erinnere ich mich nicht.«

»Und deine Leute werden deine Aussage bestätigen? Werden sie das, Bernard?«

»Dafür kann ich mich nicht verbürgen, Mr. Magnus. Ich habe keine Ahnung, ob sie sich an mehr oder weniger erinnern, als ich es tue. Aber ich denke, bis zu dem geschilderten Moment werden sie es. Ich denke, dass sie mit meiner Erinnerung an die Ereignisse übereinstimmen.«

Magnus machte sich mit unsicherer Hand ein paar Noti zen und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er fuhr mit den Fingern durch seine rotblonde Mähne und rieb sich das Gesicht, als würde es ihm die Augen für eine klarere Sicht auf die Realität öffnen. Offenkundig half es nicht. Er beugte sich wieder vor.

»Bernard, du bist gestern Nacht für mein Gaswerk und
für die Stromversorgung der Stadt verantwortlich gewesen. Hast du irgendeine Vorstellung vom Ausmaß der Zerstörung, das während deiner Wache über Abyrne hereingebrochen ist? Sollte es so sein, scheint es dich nicht sonderlich zu beunruhigen.«

BOOK: Meat
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