Read Sebastian Online

Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (54 page)

BOOK: Sebastian
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»Das tue ich jetzt schon.«
Er trat zur Seite, damit sie das Essen auf ihrem Tablett servieren konnte. Dann entdeckte er Teaser.
»Hat dieser Zauberer dein Gehirn weichgekocht?«, fragte Teaser, bevor Sebastian damit fertig war, ihm den Grund für seine Abreise zu erklären.
So ungefähr fühlte sich sein Kopf auch an, aber das sagte er Teaser nicht. »Ich tue das Richtige.«
»Für sie vielleicht.«
»Teaser.«
»Ich sage nur, wie es ist.«
»Ich muss gehen.«
»Warum? Wir treiben mit diesen Landschaften sowieso keinen Handel.«
Frustration ergriff Sebastian. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Teaser ihn wegen seiner Entscheidung angreifen würde. »Bist du sicher, dass wir nicht mit ihnen handeln? Bist du sicher, dass wir überleben können, wenn diese anderen Landschaften zerstört werden? Ich bin
nicht
sicher.«
Teaser wandte den Blick ab.
»Ich werde Lee eine Nachricht hinterlassen, um ihn über die Brücke und die Orte, die Koltak durch die Landschaft der Wasserpferde erreichen konnte, zu informieren. Ich lege sie in dein Zimmer. Wenn er auftaucht, bevor ich wieder da bin, musst du dich darum kümmern, dass er die Nachricht erhält. Und pass auf Lynnea auf.«
»Wir werden wohl aufeinander aufpassen. Wie eine Familie, irgendwie.«
Als er Teasers wehmütiges Lächeln sah, stieg in Sebastian das Gefühl auf, dass seine Worte der Wahrheit entsprachen. »Wir sind eine Familie.«
Erfreut und verlegen deutete Teaser mit dem Kopf auf die Tür zum Innenraum. »Da ist einer ungeduldig.«
Wie lange hatte Koltak schon in der Tür gestanden und ihm zugesehen?
»Sebastian?«, fragte Teaser. »Reise leichten Herzens.«
»Ich komme zurück, so schnell ich kann.« Als er sich von Teaser entfernte und an der Tür vorüberging, wandte er sich an Koltak: »Gehen wir.«
 
Sebastian zuzuschauen, war wie seinen Bruder Peter wiederzusehen. Die gleiche undefinierbare Eigenschaft, die Menschen zu ihm hinzog, die sie dazu brachte, ihm zuzuhören. Die gleiche Mischung aus Charme und eiserner Härte. Peter Rechtsbringer. Nie Peter, Zauberer der Dritten Stufe, oder Magier Peter. Es war ihm nie darum gegangen, etwas darzustellen - nicht Peter. Ihm war es immer um Gerechtigkeit gegangen.
Aber der Glaube an die Gerechtigkeit hatte Peter nicht davon abgehalten, auf Nimmerwiedersehen in den Landschaften zu verschwinden.
Natürlich hatte niemand in der Stadt der Zauberer gewusst, dass der gute Peter zwei Kinder mit einer Landschafferin gezeugt hatte. Vielleicht
war
sein Verschwinden also auch eine Art von Gerechtigkeit - die Strafe dafür, die Gesetze gebrochen zu haben.
Koltak verdrängte diese Gedanken, als Sebastian ein Gespräch mit einem Dämon beendete, der offenbar in einem zweirädrigen Gefährt hauste.
»Die Dämonenräder werden uns bis zur Brücke bringen, die in die Stadt der Zauberer führt«, sagte Sebastian, als er zu der Ecke zurückkehrte, an der Koltak wartete. »Danach werden wir, sowie die Wächter und Wahrer wollen, jemanden finden, der uns mitnimmt.«
Wir.
Sebastian hatte
wir
gesagt. Die Gedankenkontrolle funktionierte.
Um Ephemera zu retten,
wiederholte Koltak immer wieder stumm.
Zum Wohl Ephemeras.
Sie gingen eine Seitenstraße hinunter und betraten ein Gebäude, das in der Mitte des Häuserblocks lag.
Das Gebäude war vornehm und gepflegt. Er hatte Orte wie diesen in den Städten vieler Landschaften gesehen, schließlich hatte er Bedürfnisse wie jeder andere Mann. Aber er hatte nur einziges Mal ein Haus gesehen, das so teuer aussah - als ihm eine wohlhabende Familie als Gegenleistung für einen Gefallen ein Zimmer und eine Frau bezahlt hatte. Das alles war natürlich sehr diskret geschehen, versteht sich.
Sebastian hielt am Fuße der Treppe inne, als beunruhige ihn etwas. Koltak nahm seine ewiggleichen Wiederholungen wieder auf.
Um Ephemera zu retten. Zum Wohl Ephemeras.
Der Raum im dritten Stock war groß genug, um über
eine eigene Sitzgruppe zu verfügen. Er schrie nicht nach »käuflicher Liebe«. Es sah so aus, als hätte Sebastian gut für sich gesorgt.
Die Ausstrahlung des Zimmers war männlich, aber er entdeckte auch einen Hauch von Weiblichkeit.
»Du wohnst mit einer Frau zusammen?«, fragte Koltak und wunderte sich, wie ein Inkubus mit einer Frau im Haus wohl seinen Geschäften nachging.
»Das geht dich nichts an«, sagte Sebastian scharf und zog ein Bündel aus den Tiefen des Kleiderschrankes.
»Nein, tut es nicht.« Er bemerkte erneut, wie Sebastian zögerte. Der Junge hatte schon immer einen eisernen Willen besessen.
Um Ephemera zu retten. Zum Wohl Ephemeras.
Zwei Garnituren Unterwäsche wanderten in das Bündel. Zwei Hemden.
Dann ging Sebastian durch eine Tür und schloss sie hinter sich. Einen Moment darauf vernahm Koltak das Krachen und Knacken alter Wasserrohre.
Nicht sicher, wie lange Sebastian beschäftigt sein würde, ließ Koltak seinen Blick durch den Raum schweifen, während er in die Innentasche seiner Robe griff und das gefaltete, versiegelte Stück Papier herauszog, das die Erlösung Ephemeras enthielt. Er hatte sich Sorgen gemacht, dass er keinen passenden Ort finden könnte, an dem er das Schriftstück hinterlassen konnte - einen Ort, an dem man es zwar ganz bestimmt, aber nicht zu schnell entdecken würde. Dies Problem hatte Sebastian praktischerweise dadurch für ihn gelöst, dass er mit einer Frau zusammenlebte.
Das Knacken der Wasserrohre verstummte.
Koltak steckte das Papier zwischen das Sitzkissen und die Lehne eines Sessels und ließ es dabei gerade so weit hervorstehen, dass es den Blick auf sich zog.
»Fertig?«, fragte Koltak, als Sebastian in den Raum zurückkehrte, und trat einen Schritt zur Seite, um den
Sessel zu verbergen und zu verhindern, dass Sebastian das Schriftstück bemerkte.
»Gehen wir.«
Als sie die Straße erreichten und Koltak die zwei Dämonen erblickte, die auf sie warteten, sträubte er sich. »Nein.«
Sebastian rückte das Bündel auf seinem Rücken zurecht und schwang dann ein Bein über den Ledersitz des Gefährts. »Du bist derjenige, der darauf besteht, dass wir so schnell wie möglich ankommen. Die Dämonenräder sind die schnellste Reisemöglichkeit.«
Widerwillig bestieg Koltak das andere Dämonenrad und stellte seine Füße auf die Fußrasten, wie Sebastian es getan hatte.
»Halt dich fest«, sagte Sebastian.
Koltaks Hände schmerzten, so fest umklammerte er den Lenker. Als die Räder ruhig über die Hauptstraße schwebten, entspannte er sich ein wenig. Sie waren nicht schneller, als ein Pferd laufen konnte. Warum hatten sie statt
dieser
Kreaturen kein natürliches Wesen benutzen können?
»Was glaubst du, wie viele Tage werden wir brauchen, um die Brücke zu erreichen?«, fragte er.
Sebastian sah ihn an, sein Gesichtsausdruck zögernd und verwirrt.
Er musste aufhören, nach der Zeit zu fragen. Der Junge war nicht dumm. Wenn er genug Zeit bekam, um über das Wesen Ephemeras nachzudenken, würde Sebastian die richtigen Schlüsse ziehen, und das wäre katastrophal.
Wir müssen schnell sein, um Ephemera zu retten. Müssen die Brücke finden, um Ephemera zu beschützen.
Sebastian grinste verschlagen. »So lange wird es nicht dauern.«
Sie fuhren langsam die Hauptstraße entlang, bis sie den Schotterweg erreichten. Dann …
Koltak schrie auf, als die Dämonenräder nach vorne
schossen und mit einer Geschwindigkeit über die Straße rasten, die ein galoppierendes Pferd weder erreichen noch halten könnte. Das Cottage flog vorüber. Sebastian rief: »Grenzlinie voraus.«
Die Räder hoben sich wie ein Pferd, das über einen Zaun springt. Koltak hatte keine Ahnung, ob es notwendig war, die Grenzlinie von dieser Seite aus zu überqueren, oder ob es der widerwärtige Versuch des Dämons war, ihn so zu ängstigen, dass er sich in die Hose machte.
Der Boden, über den er sich geschleppt hatte, flog unter ihm hinweg. Der Mond, jetzt beinahe voll, erhellte das Land und verlieh ihm eine seltsame Schönheit und einen Frieden, den er während all der Zeit, die er in dieser Landschaft gefangen gewesen war, nicht bemerkt oder gespürt hatte.
Die Dämonen grollten und wurden langsamer, als sie sich einem Ring aus Felsgestein näherten. Inmitten des Ringes befand sich etwas, das aussah, wie fahle, unfruchtbare Erde.
»Es ist Sand«, sagte Sebastian. Er lehnte sich nach vorne und tippte dem Dämon auf die Schulter. »Bring uns ein bisschen näher ran, aber flieg langsam. Sei vorsichtig.«
Der Dämon schob sich bis auf Armeslänge an den Ort heran.
»Wir haben den falschen Weg genommen«, sagte Koltak. »Ich kann mich nicht daran erinnern, einen Ort wie diesen auf dem Hinweg gesehen zu haben.«
»Nein«, sagte Sebastian mit seltsam klingender Stimme und hob eine Hand, um auf etwas zu zeigen, das halb vergraben im Sand lag. »Ich glaube, es ist der richtige Weg. Sieh doch.«
Koltak keuchte auf, als er erkannte, dass er auf den abgetrennten Pferdekopf blickte, den er zurück gelassen hatte. »Aber … so hat es vorher nicht ausgesehen.«
»Die Landschaft ist verändert worden. Ich glaube, wenn man über die Steine, die den Sand einfassen, hinweggeht, landet man in einer Landschaft, die weit von hier entfernt liegt.« Sebastian sah Koltak an, Vorsicht sprach aus jeder Faser seines Körpers. »Was hat das Pferd getötet?«
»Was spielt das für eine Rolle?«, erwiderte Koltak und versuchte, seine Angst mit gerechtem Zorn zurückzudrängen.
Sie
hatte dies getan. Musste es getan haben. Hatte sie eine ungeschützte Landschaft in diese Ödnis verwandelt? Gab es dort draußen Städte, plötzlich von Sand überflutet?
»Was hat das Pferd getötet?«, fragte Sebastian.
»Todesdreher. Da waren Todesdreher in dem Teich.«
Sebastian atmete tief ein und langsam wieder aus. »Sieht nicht so aus, als würden sie dort, wo sie jetzt sind, noch Wasser finden. Komm. Wenn dies derselbe Teich war, sind wir nicht sehr weit von der Brücke entfernt. Ich kann nicht länger als ein paar Stunden gelaufen sein, bevor ich auf das Wasserpferd gestoßen bin.« Er hielt inne und fuhr dann leise fort: »Ich frage mich, was wohl mit ihm geschehen ist.«
Zum Wohl Ephemeras,
wiederholte Koltak stumm.
Um Ephemera zu retten.
Sie gingen nach Norden. Soweit es Koltak betraf, sah ein Hügel aus wie der andere, genauso wie eine Baumgruppe ungefähr so aussah wie alle anderen, aber Sebastian blieb an jeder Baumgruppe stehen und umkreiste sie, um sie aus allen Richtungen zu betrachten.
»Es ist diese hier«, sagte Sebastian. »Nachdem ich die Brücke überquert hatte und eine Weile gelaufen war, habe ich mich an einer Baumgruppe nach Süden gewandt. Ich glaube, es ist diese hier.«
Koltak biss sich auf die Zunge, um nichts Unbedachtes zu sagen. Er konnte nicht riskieren, etwas auszusprechen, das Sebastians Konzentration darauf, die Brücke zu erreichen, erschüttern würde.
Sie wandten sich nach Westen und erreichten in kürzerer Zeit, als Koltak für möglich gehalten hätte, einen schmalen Bach.
Aber keine Brücke. Kein Zeichen der Holzplanken.
Die Dämonenräder drehten nach Norden ab und folgten dem Wasserlauf.
»Ich sehe die Planken!«, sagte Koltak mit vor Aufregung klopfendem Herzen. Er hatte es beinahe geschafft. Wenn Dalton ihn nicht im Stich ließ …
Plötzlich schwenkten die Dämonenräder vom Bach ab und gaben ein bösartiges Knurren von sich. Sie fuhren im Kreis zurück und blieben nördlich der Planken stehen, mit Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
»Etwas war hier«, sagte Sebastian leise. »Etwas Bösartiges.« Er sah die zwei Dämonen an, die endlich aufhörten, zu knurren. »Aber ich glaube nicht, dass es noch hier ist.« Er blickte nach Osten - in die Richtung, in der der Pfuhl lag.
Nein,
dachte Koltak.
Nein. Nicht jetzt. Um Ephemera zu retten. Zum Wohl Ephemeras.
Sebastian beugte sich vor und flüsterte dem Dämon etwas ins Ohr - und fuhr fort, zu flüstern, bis der Dämon zustimmend mit dem Kopf nickte. Dann schwang er sich von dem Rad und rückte sein Bündel zurecht.
Koltak beeilte sich, es ihm gleichzutun. Nervosität ergriff ihn, als die Dämonenräder nicht davonfuhren, sondern sich nur ein paar Körperlängen von der Brücke entfernten.
»Sie werden eine Weile warten, falls wir sie brauchen«, sagte Sebastian. »Sollte auf der anderen Seite etwas Schlimmes auf uns lauern, brauchen wir eine Möglichkeit, schnell wegzukommen.«
Es verletzte seinen Stolz, aber er verlieh seiner Stimme einen ängstlichen, schwachen Klang. »Würde es dir etwas ausmachen, zuerst hinüberzugehen, Sebastian? Wenn es Schwierigkeiten
gibt
, du bist jünger und … besser in Form … um über die Brücke zurückzulaufen.«
Sebastian zögerte.
Zum Wohl Ephemeras. Um Ephemera zu retten.
Dann bewegte sich der Inkubus auf die Brücke zu, prüfte mit jedem Schritt den Boden und hielt die Augen auf die Stelle gerichtet, die den Dämonenrädern nicht gefiel. Ein Fuß auf den hölzernen Planken. Beide Füße. Ein Schritt auf die andere Seite zu. Noch einer.
Koltak eilte zur Brücke und betrat die Planken. Sebastian stand am anderen Ende. Noch einen Schritt, und es wäre vollbracht.
Aber er ging den Schritt nicht. Stand einfach nur da.
Koltak stürzte nach vorne, versetzte Sebastian einen festen Stoß und beförderte den jungen Mann stolpernd von der Brücke.
»Ergreift ihn!«, rief Koltak, als er den letzten Schritt machte, der ihn zurück in die Landschaft bringen würde, in der all sein Ehrgeiz endlich Früchte tragen würde.
Sein Herz füllte sich mit Freude, als er zusah, wie Sebastian versuchte, zwei Wachen abzuwehren. Der Stoß mit dem Knie in die Leistengegend ließ einen Wachmann würgend zur Seite rollen. Der andere Mann wirkte fähiger, versuchte aber, Sebastian einfach nur festzuhalten.
»Du verlogener Bastard!«, schrie Sebastian und riss sich fast vom anderen Wachmann los, bevor Dalton und ein weiterer Mann die Brücke erreichen konnten.
BOOK: Sebastian
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