Read Sebastian Online

Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (43 page)

BOOK: Sebastian
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»Was bist du?«, fragte Sebastian, obwohl er es bereits wusste. In seinem Blut, im Mark seiner Knochen wusste er es.
Der Körper des Mannes veränderte sich. Das blonde Haar wurde dunkler. Die blauen Augen wurden grün.
Sebastian starrte in sein eigenes Gesicht.
»Ich bin, was du hättest sein sollen«, antwortete der andere Inkubus. Er blickte über Sebastians Schulter. »Ich bin mehr, als du jemals sein wirst. Sie wird nicht in der Lage sein, mir zu widerstehen«, fügte er mit Sebastians Stimme hinzu.
Lynnea.
Der Hunger in Sebastian erlosch, als eine neue Macht aufflammte, geschürt von Angst und Wut.
Er warf sich auf den Inkubus und gemeinsam stürzten sie zu Boden. Die Kreatur setzte sich heftig und grausam zur Wehr, kämpfte mit der Wildheit eines Tieres. Aber zu hören, wie Lynnea seinen Namen rief, machte ihn in seiner Verzweiflung, sie vor dem zu retten, was der Inkubus ihr antun könnte, genauso grausam, genauso wild.
Der Dämon rollte zur Seite, drückte ihn auf den Boden, schloss die Hände um seine Kehle, würgte ihn.
Dann schoss Lynnea in den Raum, packte die Kreatur an den Haaren und zog kräftig. Die Ablenkung reichte aus, dass Sebastian sich dem Würgegriff entziehen und zur Seite rollen konnte.
Auch der andere Mann warf sich zur Seite, versuchte, sie zu packen, aber Teaser stürzte in den Raum und zog Lynnea zurück zur Tür.
Sebastian kam taumelnd auf die Beine und schnappte nach Luft. Der andere Inkubus richtete sich mit mehr Anmut wieder auf - und veränderte sich erneut.
Sebastian starrte den Bullendämon an. Er hatte nicht die Größe oder die Muskeln eines echten Bullendämons, aber die Hörner konnten ihn genauso wirksam aufspie ßen.
Er fühlte das Prickeln der Macht, zögerte aber noch immer, die magische Seite seines Wesens zu offenbaren.
Dann brüllte der Dämon, senkte den Kopf und griff an - nicht Sebastian, sondern Teaser, den Rivalen, der die weibliche Beute festhielt.
Sebastian sprang den Dämon an, packte mit einer Hand ein Horn, während er mit der anderen die Kehle der Kreatur umfasste. Als sie sich drehten und wieder zu Boden stürzten, ließ er die Magie der Zauberer durch seinen Körper und in seine Hände strömen.
Der Dämon schrie, als der Blitz ihn durchzuckte, ihn verbrannte, durch Herz und Gehirn schnitt.
Endlich hörte er auf, sich zu bewegen. Der Gestank von verbranntem Fleisch hing in der Luft.
Sebastian rollte von der Kreatur weg, blieb auf dem Boden liegen und starrte an die Decke, angewidert von dem, was er gerade getan hatte. Was ihn noch mehr entsetzte, war der Verlust der Unschuld - nicht nur, weil er getötet, sondern weil er die Wahrheit über sich erkannt hatte.
»Sebastian?«
Lynnea.
Der Klang ihrer Stimme brachte ihn auf die Beine. Dem Licht sei Dank hatte Teaser sie in den Flur gezogen und ihr die Sicht auf das Ende des Kampfes versperrt.
Er ging zur Tür. »Er ist tot«, sagte er mit tonloser Stimme.
Sie sah ihn an, musterte sein Gesicht, seine Augen - und entspannte sich.
»Ich muss mich hier um ein paar Dinge kümmern. Kannst du Teaser zurück in sein Zimmer bringen?«
Teaser sah aus, als wolle er protestieren, erkannte dann aber, worauf Sebastian hinauswollte. »Ja.« Er stützte sich auf Lynnea, die sofort ihre Arme um ihn schlang. »Ja, ich bin ein bisschen wacklig auf den Beinen.«
»Natürlich bist du das«, sagte Lynnea. »Es muss schrecklich gewesen sein, jemanden zu sehen, der dein Gesicht trägt.«
Sebastian wollte sie berühren, sie festhalten, sich von ihrer Wärme fortspülen lassen. Aber er fühlte sich zu abstoßend, zu schmutzig, um sich ihr auch nur einen Schritt zu nähern. Also sah er zu, wie sie Teaser zur Treppe führte. Dann drehte er sich um und ging zurück in den Raum.
Der Dämon war tot. Ohne Frage. Sein Magen drehte sich um, als er die Leiche betrachtete.
Er musste versucht haben, erneut die Gestalt zu verändern. Oder vielleicht hatte sein Körper so heftig auf den Blitz reagiert, der ihn von innen heraus verbrannt hatte. Jetzt war er eine verzerrte Mischung aus Bullendämon, seinem eigenen Gesicht und etwas Dunkelhäutigem, das vielleicht die natürliche Gestalt der Kreatur gewesen war.
Die Frau war tot. Da er nicht wusste, was er sonst tun sollte, zog er das Laken über ihren Körper. Vielleicht war sie mit einem Freund in den Pfuhl gekommen, vielleicht suchte jemand nach ihr. Wenn nicht …
Menschen, die in den Pfuhl kamen, nannten selten ihren echten Namen oder erzählten, in welcher Landschaft sie zu Hause waren. Wenn niemand hier war, der sie kannte, würden sie ihre Leiche in den Feldern begraben - und ihre Familie und Freunde würden letztendlich akzeptieren, dass sie einer der Menschen war, die in den Landschaften Ephemeras verloren gegangen waren.
Er zog die Decke vom Bett und wickelte die Leiche des Inkubus darin ein, so dass ihn niemand mehr ansehen musste.
Als er fertig war, stand er einfach nur da und rieb mit dem Daumen über seine Fingerspitzen. Auch er hatte die Macht, zu töten.
Und er würde sichergehen, dass dieses … Ding … auch tot blieb.
Er verließ das Zimmer, schloss die Tür und ging hinunter zum Empfangstisch, um sich darum zu kümmern, was als Nächstes geschehen musste.
 
Dalton starrte auf die Holzplanken, die über den schmalen Bach führten und zählte zum zehnten Mal bis Hundert.
Zu lange. Selbst wenn Faran beschlossen hatte, den Sattel von Koltaks Pferd zu überprüfen oder weitere Anweisungen erhalten hätte, war der Wachmann bereits zu lange verschwunden.
»Henley, Addison«, rief er, ohne die Brücke aus den Augen zu lassen. »Geht hinüber und findet heraus, was Faran aufhält.« Nachdem die Männer ihre Zügel den zwei verbleibenden Wachen übergeben hatten, hob Dalton die Hand, um sie aufzuhalten. Er trat zu seinem eigenen Pferd und griff nach dem Führstrick, der am Sattel befestigt war. »Bindet ihn an eure Gürtel. Henley, du gehst über die Brücke in die andere Landschaft. Addison, du bleibst auf dieser Seite. Wenn es Schwierigkeiten gibt, zieht Henley zwei Mal am Strick. Das ist das Zeichen, ihn zurückzuholen.«
Als er den zwei Männern dabei zusah, wie sie den Führstrick an ihre Gürtel banden, fühlte er, wie die Peinlichkeit der Situation ihm das Blut ins Gesicht trieb. Er wusste, dass es albern war. Kein Seil der Welt konnte etwas ändern, wenn jemand in eine andere Landschaft trat. Aber er würde keinen Mann mehr über diese Brücke
gehen lassen, ohne wenigstens zu versuchen, herauszufinden, was auf der anderen Seite vor sich ging.
Henley und Addison liefen über die Planken, aus denen die Brücke bestand, und hielten soviel Abstand, wie der Strick zuließ. Das Holz sah stabil genug aus, aber sollten die Planken brechen, wäre die Brücke verschwunden, und für Koltak gäbe es aus dieser Richtung keinen Weg mehr zurück in die Stadt der Zauberer. Und keinen Weg, um herauszufinden, was mit Faran geschehen war.
Henleys rechter Fuß trat von den Planken. Der Mann war noch immer sichtbar, noch immer in der Landschaft, in der die Stadt der Zauberer stand. Dann hob sich Henleys linker Fuß vom Holz - und er war verschwunden.
Ein paar Augenblicke später, raubte ein Ruck am Führstrick Addison das Gleichgewicht und ließ ihn vorwärts stolpern.
»Spring, Mann! Spring!«, schrie Dalton.
Kein kontrollierter Sprung, aber Addison schaffte es, von der Brücke zu stolpern und mit den Füßen zuerst im Bach zu landen. Ein erneuter Ruck am Strick ließ ihn auf Hände und Knie fallen.
»Was ist?« Dalton bekämpfte den Drang, über die Planken zu rennen, um zu seinen Männern zu kommen.
»Ich weiß nicht, Hauptmann«, sagte Addison. »Es ist nicht das Zeichen, aber ich -«
Dalton sah, wie sich der Strick einmal spannte. Zweimal. Das war das Zeichen. »Lauf nach hinten. Halte den Strick gleichmäßig gespannt. Führ ihn zurück.« Er bemühte sich, seine Stimme ruhig und ermutigend klingen zu lassen, während Addison ans näher gelegene Ufer des Baches watete.
Der Strick verschwand im Nichts, aber sie verfolgten seine Bewegungen. Nicht das gleichmäßige Auf und Ab von Schritten, sondern der Gang eines Menschen, der sich vorsichtig und angestrengt bewegte.
War es ein Mensch, der zurück über die Brücke kam? Sie wussten nicht, was sich auf der anderen Seite befand.
»Addison! Binde den Strick von deinem Gürtel los. Jetzt.
Jetzt!«
Während Addison sich bemühte, den Führstrick loszubinden, packte Dalton seinen Arm und zog ihn auf den trockenen Boden.
Addison ließ den Strick fallen und wich von der Brücke zurück. Dalton zog sein Schwert aus der Scheide und wartete auf das, was auch immer gleich ihre Landschaft betreten würde.
»Hört Ihr das, Hauptmann?«, fragte Addison und legte den Kopf schief.
Leise zuerst, aber schnell lauter werdend. Eine Stimme, die wieder und wieder keuchte: »Wahrer des Lichts und Wächter der Herzen, bitte lasst es mich schaffen, ihn zum Hauptmann zu bringen.«
Henley tauchte plötzlich auf, nach vorn gebeugt, seine Hände umklammerten den Führstrick, den er um Farans Brust gebunden hatte. »Ich habe ihn gefunden, Hauptmann«, keuchte er, als er Faran über den Rest der Brücke und von ihr hinunter schleppte. »Er ist schwer verletzt.«
Dalton starrte das Ding an, das zusammen mit Faran in diese Landschaft gezerrt worden war.
Während der letzten Woche hatte seine Tochter, seine süße kleine Tochter, beinahe jede Nacht Albträume von riesigen Spinnen gehabt, die in den Ecken ihres Zimmers lauerten, bereit sie aufzufressen. Diese Albträume hatten ihm und seiner Frau schlaflose Nächte bereitet, denn was das Herz glaubte, konnte die Resonanz einer Person verändern und sie in Verbindung mit der Landschaft bringen, die diesem Glauben entsprach.
Jetzt starrte er auf den Albtraum seiner Tochter. Es gab ihn. Er war real. Und seinem Zuhause viel zu nah.
»Hauptmann?«, fragte Henley, die Stimme voller Unsicherheit.
Dalton schüttelte sich. Er konnte jetzt nicht an seine Familie denken. Seine Männer brauchten ihn.
Er näherte sich ihm vorsichtig und ließ sich neben Farans Schulter auf ein Knie nieder.
Faran öffnete die Augen. Er atmete schwer, als ob es ihn alle Willenskraft kostete, seine Lunge in Bewegung zu halten. »Kann … meine Arme … und Beine … nicht fühlen. Falltür … neben Brücke.«
Dalton legte Faran eine Hand auf die Schulter und betrachtete die tote Spinne, die so groß war wie ein Hund. Ein Messer steckte bis zum Griff in ihrem Kopf. »Halte durch, Faran. Halte einfach durch.«
Dalton stand auf. »Guy, du reitest zurück in die Stadt. Hol einen Heiler und einen Wagen. Henley, Addison, ihr watet durch den Bach und seht nach, ob ihr dort drüben in dem Waldgebiet ein paar Schösslinge oder Äste findet, die wir als Stangen benutzen können, um eine Trage zu bauen.«
Er sah, wie sich seine Männer verstreuten, um seinen Befehlen nachzukommen. Dann versuchte er, sein heftig klopfendes Herz dazu zu bewegen, wieder ruhig und stetig zu schlagen. Aber sein Herz ließ sich nicht täuschen, als er um Faran herumging und neben einem Bein des Mannes stehen blieb.
Vielleicht wäre es das Beste, die Reißzähne aus dem Kiefer zu schneiden. Das würde Spinne und Mann voneinander trennen. Aber das würde seine Hände zu nah an diese Kiefer heranbringen, und obwohl er wusste, dass die Spinne tot war, glaubte sein Körper ihm nicht.
Die Kreatur in zwei Hälften schneiden? Das würde das Gewicht, das an Faran zog, verringern. Aber seine Hände zitterten, und es bestand die Möglichkeit, dass er Faran ins Bein schnitt. Der Mann konnte es sich nicht leisten, noch mehr Blut zu verlieren.
Er spürte, wie ihn der Mut verließ. Er wollte einfach
davonreiten, sich sinnlos betrinken, wollte die Last abwerfen, für das Leben anderer Männer verantwortlich zu sein. Und er konnte beinahe hören, wie etwas am Rande seines Geistes ihm zuflüsterte und die Scham und die Angst mehrte.
»Hauptmann? Wir haben ein paar Schösslinge gefunden. Meint Ihr, sie werden ausreichen?«
Addisons Stimme riss ihn zurück aus seinen düsteren Gedanken. Wie lange hatte er hier gestanden und nichts getan, um einem Mann zu helfen, der seine Befehle befolgt hatte, weil seine Männer ihm vertrauten?
Dalton trat einen Schritt zurück und wandte den Kopf, um zu den zwei Männern zu blicken, die durch den Bach liefen. Das Wasser spritzte nach allen Seiten. Er schluckte seine Angst hinunter und nahm zusammen, was noch von seinem Mut übrig geblieben war.
»Damit wird es gehen«, sagte er, als Addison und Henley ihn erreichten.
Er steckte sein Schwert in die Scheide und nahm Addison den Schössling ab, den er geschlagen hatte. Sein Herz klopfte heftig, als er das Holz benutzte, um Farans Beine auseinander zu schieben, und die Spinne behutsam in den Raum dazwischen schob. Dann gab er Addison den Schössling zurück, zog sein Schwert und hackte auf den Unterleib der Spinne ein.
Die Spinne bewegte sich nicht, zuckte nicht einmal.
Ermutigt veränderte er seine Haltung, um den Körper der Spinne aufzuschneiden, arbeitete vorsichtig, sich stets bewusst, dass eine unbedachte Bewegung seinen eigenen Mann verletzen konnte.
Schließlich trat er zurück und nickte Henley zu, der Faran unter den Achseln fasste und den Mann von den Überresten fort zog. Der Kopf, Teil des Rumpfes und vier Beine blieben an Faran hängen.
Addison musterte ihn. »Es ist hart, zu wissen, Hauptmann, dass die schlimmen Dinge in der Welt nahe genug
sind, um uns zu berühren. Ich glaube, wir haben ein paar böse Tage vor uns.«
Dalton rieb sich mit dem Ärmel über das Gesicht und wischte sich den Schweiß ab. »Ich weiß.« Mit einem Zipfel seiner Jacke säuberte er sein Schwert und steckte es zurück in die Scheide. »Na kommt; wir bauen die Trage.«
 
Sebastian betrachtete all jene, die sich auf seinen Befehl hin versammelt hatten - die Bullendämonen, die die tiefe Feuergrube ausgehoben hatten; Hastings und Mr Finch, die den Boden der Grube mit Brennholz bedeckten; zwei andere Bewohner, die das in eine Decke gewickelte Bündel behutsam anhoben und in die Grube hinabließen; Philo, der einen Krug mit Lampenöl öffnete und es über die Decke goss.
BOOK: Sebastian
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