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Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (12 page)

BOOK: Sebastian
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Nur ein kleines bisschen Dunkelheit,
schmeichelte Er.
Eine Veränderung, die in einer dunklen Landschaft nicht einmal auffallen wird. Etwas, das diesen Ort vor gefährlichen Herzen beschützen wird.
Ephemera zögerte. Dann gab die Welt ein kleines, kreisförmiges Stück Boden neben der Brücke frei - ein Stück Land, das Er nun nach Belieben formen konnte.
Vielleicht war das die beste Lösung. Ein kleiner Ankerpunkt wäre für jedes Herz, das durch diese Landschaft ging, nur schwer zu entdecken, würde Ihm aber genügen, um Sich Zugang zu diesem Ort zu verschaffen.
Vorsichtig, um Seine Freude darüber nicht zu verraten, dass Er es geschafft hatte, Ephemera dazu zu überreden, ein Stück von sich selbst aufzugeben, wie klein es auch sein mochte, veränderte Er das Erdreich, um einen Zugangspunkt zu einer Seiner eigenen Landschaften zu schaffen.
Die Tentakelspitze zog sich aus dem Boden zurück. Der Boden vor ihr hob sich leicht und ließ eine Grasnarbe sichtbar werden, unter der ein Flechtwerk aus kleinen Ästen lag, das eine Falltür bildete, die groß genug für einen ausgewachsenen Mann war. Zwei riesige Arme streckten sich aus der Falltür und tasteten die Erde rund um den Bau herum ab.
Zufrieden damit, dass Er nun Zugang zu dieser Landschaft hatte, zog Er Seinen Tentakel zurück über die Planken und veränderte seine Form, bis sie wieder dem Rest Seines Körpers entsprach.
Dann drehte Er sich um und bewegte sich auf den Hügel
und die Wesen zu, deren Geist Seiner Resonanz so ähnlich war. Es war an der Zeit, den Ort des Zwielichts zwischen Traum und Erwachen aufzusuchen. Wenn die Dunklen erst einmal von Seiner Rückkehr erfahren hätten, wäre Er wesentlich näher daran, wiederzuerlangen, was Ihm rechtmäßig zustand.
Die Kontrolle der Welt.
 
Hungrig und durstig schleppte Sebastian sich einen weiteren Anstieg hoch. Er wusste noch immer nicht, wo er war, hatte nichts als offene Landschaft gesehen, seit er die Brücke überquert hatte. Wenigstens sahen die Bäume, an denen er vorbeigekommen war, im Mondlicht nicht fremdartig aus, also bestand Hoffnung, dass er in eine Landschaft übergetreten war, die irgendwie mit dem Pfuhl in Verbindung stand.
Als er den Abhang auf der anderen Seite der Anhöhe hinablief, spitzte ein dunkles Pferd die Ohren und trottete auf ihn zu - da wurde ihm klar, wo er sich befand.
Das Pferd war wunderschön, aber das machte es nicht weniger dämonisch. Das Wasserpferd bestätigte seine Vermutung, dass er sich in einer dunklen Landschaft befand, die an den Pfuhl grenzte. Leider bestätigte es auch, dass er noch einen langen Marsch vor sich hatte, bis er nach Hause gelangen würde.
Sebastian lief weiter. Ihm war klar, dass er genauso gut von der Magie des Dämons in Bann geschlagen werden konnte wie jeder Mensch. Die Nüstern des Pferdes bebten, als ob es seinen Duft aufnehmen wollte, es sich aber nicht näher an ihn herantraute. Für einen Dämonen war das ein sehr seltsames Verhalten. Normalerweise versuchten sie, Menschen dazu zu verführen, sich auf einen verhängnisvollen Ritt auf ihrem Rücken einzulassen.
Mit einer langsamen Bewegung streckte Sebastian eine Hand aus. Das Wasserpferd streckte seinen Hals und kam mit dem Maul nahe genug an ihn heran, um ihn zu beschnuppern.
Dann trat es zurück, warf seinen Kopf nach hinten und lief auf eine glitzernde Wasserfläche zu.
Als Sebastian ihm nicht folgte, kam das Wasserpferd zurück.
Sebastian schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was du bist. Mit jemandem deiner Art gehe ich nicht in die Nähe des Wassers.«
Wieder warf das Wasserpferd den Kopf zurück. Stampfte mit einem Huf auf den Boden.
»Nein«, sagte Sebastian entschlossen.
Das Wiehern des Pferdes klang traurig. Fast flehend.
Er konnte sich das Verhalten des Dämons nicht erklären und sah zu der glitzernden Wasserfläche hinüber - und kam zu der schrecklichen Gewissheit, dass er bereits wusste, was das Wasserpferd ihm zeigen wollte.
Hastig schritt er auf das Wasser zu, ohne zu bemerken, dass seine Hand auf dem Hals des Pferdes ruhte. Am Ufer des Teiches lag etwas Dunkles, Aufgeblähtes, und sie hielten an. Sebastian versuchte, näher heranzugehen, konnte aber nicht. Das Wasserpferd hatte seine Magie eingesetzt, um Sebastians Hand an seinen Hals zu binden und hinderte ihn so daran, dem Rand des Teichs zu nahe zu kommen.
Nicht, dass er wirklich näher herangehen wollte. Wächter und Wahrer, das hier war ein
Teich
, gespeist von kleinen Bächen. Die Kreaturen, vor denen man sich in dieser Landschaft hüten musste, waren die Wasserpferde. Aber irgendetwas hatte nicht nur eines der Pferde getötet; es hatte riesige Stücke aus seinem Körper gerissen. Sie gefressen. Der Körper des Wasserpferdes zitterte, als es vom Teich zurückwich und Sebastian mit sich zog.
Kein Mensch würde den Tod eines Wasserpferdes bedauern. Schließlich ertränkten diese Dämonen jeden Menschen, der dumm genug war, auf ihnen reiten zu wollen.
Aber die Art, wie der tote Körper zugerichtet worden war...
Wie viele dieser Bestien hatten den Weg in die dunklen Landschaften gefunden? Und woher waren sie gekommen?
»Ich …« Sebastian räusperte sich. »Ich muss zurück in den Pfuhl. Ich muss den anderen davon erzählen.« Er versuchte, sich von dem Wasserpferd zu entfernen, aber seine Hand war noch immer von dessen Magie gebunden.
Das Pferd drehte den Kopf und betrachtete ihn. Dann löste es die Verbindung. Aber als Sebastian sich vom Teich entfernte, stellte es sich ihm in den Weg.
»Was willst du?« Er war müde, hungrig, frustriert, und er hatte Angst. Oh ja. Er fürchtete sich. Er brauchte nicht noch einen Dämon, der seine Spielchen mit ihm trieb.
Das Wasserpferd warf seinen Kopf zurück und hob dann abwechselnd die Hufe an.
Vier Beine, die nicht müde wurden. Vier Beine, die schneller rennen konnten, als seine eigenen.
»Du bietest mir an, auf dir zu reiten?«, fragte Sebastian.
Das Wasserpferd nickte mit dem Kopf.
»Keine Tricks? Kein Galopp ins tiefe Wasser um mich zu ertränken?«
Kopfschütteln.
»Warum?« Er kannte die Antwort bereits, bevor das Pferd den Kopf wandte und zum Teich blickte.
Sie haben auch Angst.
Er war es nicht gewohnt, auf einem Pferd zu sitzen, und so stieg er mit wenig Geschick und noch weniger Anmut auf. Dem Wasserpferd schien es nichts auszumachen, und als er das Kitzeln der Magie in seinen Beinen spürte, erkannte er den einen Vorteil, den diese Art von Pferd zu bieten hatte - wenn das Wasserpferd sich nicht selbst dazu entschloss, seine Beute loszulassen,
konnte
man gar nicht herunterfallen.
Sie flogen geradezu über das Land und über die Flüsse hinweg, bis Sebastian einen Grenzstein entdeckte. Als sie an ihm vorbeizogen, verspürte er das Prickeln, das bedeutete, dass sie sich jetzt in einer anderen Landschaft befanden.
Grenzen und Grenzlinien nannte Glorianna diese Konturen. Grenzen trennten verschiedene Arten von Landschaften - oder alle Landschaften, die eine Landschafferin kontrollierte, von denen, die einer anderen gehörten - und konnten nur über eine Brücke überquert werden. Grenzlinien markierten die Stellen, an denen ähnliche Landschaften einer Landschafferin miteinander verbunden waren, egal, wie groß die physikalische Distanz zwischen ihnen auch sein mochte.
So war es in Ephemera. Es konnte passieren, dass jemand nicht dazu in der Lage war, eine Brücke zu überqueren, um ins Nachbardorf zu gelangen, wenn seine Resonanz nicht mit diesem bestimmten Ort übereinstimmte, aber er konnte eine Grenzlinie überschreiten und durch ein Dorf in einem völlig anderen Teil der Welt laufen.
Ein paar Minuten später rasten sie am Rand einer Klippe entlang, die Sebastian erkannte - genauso, wie er den See erkannte. Er fühlte, wie das Wasserpferd zögerte, zweifellos führte das Wasser den Dämon in Versuchung. Aber es blieb auf dem Land, anstatt nach einem Weg zu suchen, die Klippe hinunterzuklettern. Kurz danach verlangsamte das Wasserpferd seinen Lauf und hielt vor der Tür von Sebastians Cottage an.
Noch immer konnten sie den langsamen Tanz der Wellen mit dem Sand und den Steinen am Ufer hören.
Das Wasserpferd seufzte - und ließ ihn frei.
Dankbar für die Hilfe und vorsichtig aufgrund der dämonischen Natur des Wasserpferdes, rutschte Sebastian von seinem Rücken herunter. »Vielen Dank«, sagte er, während er seine Hand auf den Türgriff seiner Haustür legte.
Das Pferd sah ihn einen Moment lang an, drehte sich dann um und trabte den Weg zurück, den es gekommen war.
Er hatte vorgehabt, nur rasch sein Bündel abzulegen und in den Pfuhl zu laufen, aber der leichte, weibliche Duft, der noch in der Luft lag, veranlasste ihn, sich auch in den anderen Räumen des Cottages umzusehen.
Er fand Gloriannas Nachricht neben der Tüte mit den Kaffeebohnen.
 
Sebastian,
es gibt etwas, um das ich mich in einer anderen Landschaft kümmern muss. Danach komme ich wieder. Wir müssen uns unbedingt unterhalten. Sei vorsichtig.
 
Keine Unterschrift. Sie unterschrieb ihre Nachrichten nie. Noch nicht einmal mit ihren Initialen. Seit er sie nur noch so unregelmäßig sah, ließen diese anonymen Nachrichten sie irgendwie weniger … real erscheinen.
Aber wenn man in Betracht zog, was die Zauberer und die anderen Landschafferinnen von ihr dachten, war das vielleicht genau ihre Absicht.
Aber - Tageslicht! - die Nachricht bedeutete, dass sie hier gewesen war. Wenn er ein paar Stunden gewartet hätte, bevor er in die Stadt der Zauberer aufgebrochen war, hätte er mit
ihr
sprechen können, anstatt Koltak gegenübertreten zu müssen.
Ihm schauderte. Mit dem Handrücken rieb er sich die Stirn. War er krank? Auf jeden Fall fühlte er sich nicht gut. Aber möglicherweise war es auch nichts weiter als die leichte Übelkeit, die das Wiedersehen mit der Stadt der Zauberer in ihm hervorgerufen hatte - und die Erinnerung an Dinge, die er schon so lange zu vergessen versuchte.
Auf Philos Fahrrad fuhr er zurück in den Pfuhl. Als er in den Innenhof rollte, fragte er sich, wie lange er wohl
fort gewesen war - wurde es in den Landschaften des Tageslichts langsam wieder dunkel, oder brach gerade ein neuer Tag an?
Aber der Pfuhl erlebte niemals einen Sonnenauf- oder einen Sonnenuntergang, also was spielte es für eine Rolle?
Gib’s zu. Du bist enttäuscht, dass du das Tageslicht nicht gesehen hast. Das ist einer der Gründe, aus denen du bereit warst, die Stadt aufzusuchen. Um die Welt im Tageslicht zu sehen. Um die Sonne auf deinem Gesicht zu spüren. Du hast die Sonne aber nicht gesehen. Hast sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Ein Inkubus ist schließlich die Art von Liebhaber, den die Frauen lieber im Dunkeln treffen wollen.
Er war unruhig, und als er das Fahrrad zum Lagerhaus am Ende des Innenhofes schob, versuchte er, das wachsende Verlangen nach der Jagd zu unterdrücken - ein Verlangen, das stärker war, als alles, was er in den letzten Wochen verspürt hatte.
Teaser saß an einem Tisch in der Nähe. Es waren noch viele Tische frei, was bedeutete, dass der andere Inkubus es vorgezogen hatte, den koketten Spielchen auszuweichen, die normalerweise an den Tischen stattfanden, die näher an der Straße standen.
Und das sah Teaser gar nicht ähnlich.
»Warum bist du nicht unterwegs?«, fragte Sebastian, als er einen Stuhl heranzog und sich zu ihm setzte.
Teaser schenkte ihm eine schale Version seines sonst so großspurigen Lächelns. »War nicht in der Stimmung.« Er hob seinen halb leeren Bierkrug und zeigte dann mit dem Finger auf Sebastian.
Ein paar Minuten später erschien Philo mit einem vollen Tablett am Tisch. Er stellte zwei Krüge mit Bier, eine Schale mit geschmolzenem Käse und einen Korb voll Phallischer Köstlichkeiten auf den Tisch.
»Er trinkt jetzt schon seit Stunden ein Bier nach dem
anderen«, murmelte Philo, ohne einen der beiden Inkuben anzublicken. »Bring ihn dazu, was zu essen, bevor er sogar zu betrunken ist, jemanden auch nur unbeholfen zu betatschen.«
Teaser schnaubte. »Als ob ich an solchen Fummeleien interessiert wäre.«
Sebastian, der gerade nach seinem Bier griff, erstarrte für einen Moment. Teaser war nicht interessiert?
Teaser?
»Was ist los?« Sebastian blickte von Teaser zu Philo und wieder zurück. »Ist noch etwas passiert?«
Philo wischte sich die Hände an seiner Schürze ab und hielt den Blick starr auf die Tischplatte gerichtet. »Du hast es ihm nicht erzählt?«
»Er ist doch gerade erst angekommen!«, verteidigte sich Teaser. »Er hatte ja noch nicht einmal Zeit, einen Schluck Bier zu trinken und sich den Geschmack der Zaubererstadt aus dem Mund zu waschen.«
»Was ist denn los?«, fragte Sebastian noch einmal, diesmal mit mehr Nachdruck.
An einem anderen Tisch rief jemand nach Philo. Er eilte hinüber.
Teaser nahm sich eines der penisförmigen Brötchen, tunkte es in den geschmolzenen Käse und biss ein Stück ab. Auch Sebastian griff sich eine der Phallischen Köstlichkeiten aus dem Brotkorb und stippte sie in den Käse. Der erste Bissen erinnerte ihn daran, dass er seit seiner Abreise aus dem Pfuhl nichts mehr gegessen hatte. Teaser machte nicht gerade den Eindruck, als könne er es kaum erwarten, ihm zu erzählen, was geschehen war - oder zu erfahren, was ihm in der Stadt der Zauberer widerfahren war -, also widmete er seine ganze Aufmerksamkeit erst einmal dem einfachen Mahl.
Dann warf Teaser einen Blick zum Eingang des Innenhofes und murmelte: »Ohne
sie
hätte ich den Abend besser ertragen.«
Glorianna?
Mit plötzlich klopfendem Herzen sah Sebastian
in die gleiche Richtung. Dann wandte er seinen Blick genauso schnell wieder ab wie Teaser und hoffte, dass der Sukkubus, der die anderen Gäste musterte, zu beschäftigt mit ihren eigenen Spielchen war, um sie zu bemerken.
»Kann nicht von mir behaupten, dass es mir leid täte, wenn sie verschwinden würde«, sagte Teaser, während er ein Stück von der Phallischen Köstlichkeit abriss, bevor er sie in den Käse tauchte.
»Das meinst du nicht ernst«, sagte Sebastian scharf.
BOOK: Sebastian
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