FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT
| ( im Wechselgesang ).
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| In die Traum- und Zaubersphäre
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| Sind wir, scheint es, eingegangen.
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| Führ’ uns gut und mach’ dir Ehre,
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| Daß wir vorwärts bald gelangen
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| In den weiten, öden Räumen!
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| Seh’ die Bäume hinter Bäumen,
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| Wie sie schnell vorüberrücken,
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| Und die Klippen, die sich bücken,
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| Und die langen Felsennasen,
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3880
| Wie sie schnarchen, wie sie blasen!
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| Durch die Steine, durch den Rasen
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| Eilet Bach und Bächlein nieder.
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| Hör’ ich Rauschen? hör’ ich Lieder?
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| Hör’ ich holde Liebesklage,
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| Stimmen jener Himmelstage?
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| Was wir hoffen, was wir lieben!
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| Und das Echo, wie die Sage
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| Alter Zeiten, hallet wider.
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| Uhu! Schuhu! tönt es näher,
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3890
| Kauz und Kiebitz und der Häher,
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| Sind sie alle wach geblieben?
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| Sind das Molche durchs Gesträuche?
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| Lange Beine, dicke Bäuche!
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| Und die Wurzeln, wie die Schlangen,
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| Winden sich aus Fels und Sande,
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| Strecken wunderliche Bande,
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| Uns zu schrecken, uns zu fangen;
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| Aus belebten derben Masern
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| Strecken sie Polypenfasern
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3900
| Nach dem Wandrer. Und die Mäuse
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| Tausendfärbig, scharenweise,
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| Durch das Moos und durch die Heide!
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| Und die Funkenwürmer fliegen
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| Mit gedrängten Schwärmezügen
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| Zum verwirrenden Geleite.
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| Aber sag’ mir, ob wir stehen,
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| Oder ob wir weitergehen?
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| Alles, alles scheint zu drehen,
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| Fels und Bäume, die Gesichter
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3910
| Schneiden, und die irren Lichter,
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| Die sich mehren, die sich blähen.
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MEPHISTOPHELES.
| Fasse wacker meinen Zipfel!
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| Hier ist so ein Mittelgipfel,
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| Wo man mit Erstaunen sieht,
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| Wie im Berg der Mammon glüht.
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FAUST.
| Wie seltsam glimmert durch die Gründe
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| Ein morgenrötlich trüber Schein!
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| Und selbst bis in die tiefen Schlünde
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| Des Abgrunds wittert er hinein.
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3920
| Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,
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| Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor,
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| Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,
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| Dann bricht sie wie ein Quell hervor.
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| Hier schlingt sie eine ganze Strecke
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| Mit hundert Adern sich durchs Tal,
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| Und hier in der gedrängten Ecke
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| Vereinzelt sie sich auf einmal.
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| Da sprühen Funken in der Nähe,
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| Wie ausgestreuter goldner Sand.
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3930
| Doch schau! in ihrer ganzen Höhe
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| Entzündet sich die Felsenwand.
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MEPHISTOPHELES.
| Erleuchtet nicht zu diesem Feste
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| Herr Mammon prächtig den Palast?
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| Ein Glück, daß du’s gesehen hast;
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| Ich spüre schon die ungestümen Gäste.
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FAUST.
| Wie rast die Windsbraut durch die Luft!
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| Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!
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MEPHISTOPHELES.
| Du mußt des Felsens alte Rippen packen,
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| Sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft.
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3940
| Ein Nebel verdichtet die Nacht.
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| Höre, wie’s durch die Wälder kracht!
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| Aufgescheucht fliegen die Eulen.
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| Hör’, es splittern die Säulen
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| Ewig grüner Paläste.
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| Girren und Brechen der Äste!
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| Der Stämme mächtiges Dröhnen!
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| Der Wurzeln Knarren und Gähnen!
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| Im fürchterlich verworrenen Falle
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| Übereinander krachen sie alle,
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3950
| Und durch die übertrümmerten Klüfte
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| Zischen und heulen die Lüfte.
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| Hörst du Stimmen in der Höhe?
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| In der Ferne, in der Nähe?
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| Ja, den ganzen Berg entlang
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| Strömt ein wütender Zaubergesang!
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HEXEN
(
im
CHOR
)
.
| Die Hexen zu dem Brocken ziehn,
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| Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.
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| Dort sammelt sich der große Hauf,
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| Herr Urian sitzt oben auf.
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3960
| So geht es über Stein und Stock,
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| Es f—t die Hexe, es stinkt der Bock.
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STIMME.
| Die alte Baubo kommt allein,
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| Sie reitet auf einem Mutterschwein.
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CHOR.
| So Ehre denn, wem Ehre gebührt!
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| Frau Baubo vor! und angeführt!
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| Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf,
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| Da folgt der ganze Hexenhauf.
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STIMME.
| Welchen Weg kommst du her?
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STIMME.
| Übern Ilsenstein!
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| Da guckt’ ich der Eule ins Nest hinein.
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| Die macht’ ein Paar Augen!
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STIMME.
3970
| O fahre zur Hölle!
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| Was reitst du so schnelle!
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STIMME.
| Mich hat sie geschunden,
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| Da sieh nur die Wunden!
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HEXEN (
CHOR
).
| Der Weg ist breit, der Weg ist lang,
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| Was ist das für ein toller Drang?
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| Die Gabel sticht, der Besen kratzt,
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| Das Kind erstickt, die Mutter platzt.
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HEXENMEISTER
(
Halbes
CHOR
).
| Wir schleichen wie die Schneck’ im Haus,
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| Die Weiber alle sind voraus.
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3980
| Denn, geht es zu des Bösen Haus,
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| Das Weib hat tausend Schritt voraus.
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ANDRE HÄLFTE.
| Wir nehmen das nicht so genau,
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| Mit tausend Schritten macht’s die Frau;
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| Doch, wie sie auch sich eilen kann,
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| Mit einem Sprunge macht’s der Mann.
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STIMME
(
oben
)
.
| Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!
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STIMME
(
von unten
)
.
| Wir möchten gerne mit in die Höh’.
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| Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar;
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| Aber auch ewig unfruchtbar.
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BEIDE CHÖRE.
3990
| Es schweigt der Wind, es flieht der Stern,
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| Der trübe Mond verbirgt sich gern.
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| Im Sausen sprüht das Zauberchor
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| Viel tausend Feuerfunken hervor.
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STIMME
(
von unten
)
.
STIMME
(
von oben
)
.
| Wer ruft da aus der Felsenspalte?
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STIMME
(
unten
)
.
| Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
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| Ich steige schon dreihundert Jahr,
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| Und kann den Gipfel nicht erreichen.
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| Ich wäre gern bei meinesgleichen.
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BEIDE CHÖRE.
4000
| Es trägt der Besen, trägt der Stock,
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| Die Gabel trägt, es trägt der Bock;
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| Wer heute sich nicht heben kann,
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| Ist ewig ein verlorner Mann.
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HALBHEXE
(
unten
)
.
| Ich tripple nach, so lange Zeit;
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| Wie sind die andern schon so weit!
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| Ich hab’ zu Hause keine Ruh,
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| Und komme hier doch nicht dazu.
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CHOR DER HEXEN.
| Die Salbe gibt den Hexen Mut,
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| Ein Lumpen ist zum Segel gut,
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4010
| Ein gutes Schiff ist jeder Trog;
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| Der flieget nie, der heut nicht flog.
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BEIDE CHÖRE.
| Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
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| So streichet an dem Boden hin,
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| Und deckt die Heide weit und breit
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| Mit eurem Schwarm der Hexenheit.
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| ( Sie lassen sich nieder .)
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MEPHISTOPHELES.
| Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!
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| Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!
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| Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!
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| Ein wahres Hexenelement!
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4020
| Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt.
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| Wo bist du?
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FAUST
(
in der Ferne
)
.
MEPHISTOPHELES.
| Was! dort schon hingerissen?
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| Da werd’ ich Hausrecht branchen müssen.
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| Platz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel, Platz!
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| Hier, Doktor, fasse mich! und nun, in e i n e m Satz,
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| Laß uns aus dem Gedräng’ entweichen;
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| Es ist zu toll, sogar für meinesgleichen.
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| Dort neben leuchtet was mit ganz besondrem Schein,
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| Es zieht mich was nach jenen Sträuchen.
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| Komm, komm! wir schlupfen da hinein.
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FAUST.
4030
| Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich führen.
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| Ich denke doch, das war recht klug gemacht:
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| Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht,
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| Um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren.
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